Wer mehr Verkehr auf der Schiene will, muss mehr Gleise bauen, fordert der Tübinger OB für Stuttgart. Er sieht dabei auch seinen Stuttgarter Amtskollegen in der Pflicht.

Stuttgart - Im neuen Stuttgarter Durchgangsbahnhof werden Reisende teils lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Der von 2030 an geplante Deutschlandtakt mit halbstündigen Fernverkehrsverbindungen lasse sich mit Stuttgart 21 nicht umsetzen, moniert der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Wer zum Beispiel von Tübingen nach Karlsruhe wolle, müsse bis zu 27 Minuten auf den Anschluss warten. Boris Palmer (Grüne), in der S-21-Schlichtung 2010 Wortführer des Widerstands und heute OB in Tübingen, sieht sich bestätigt.

 

Bereits in der von Heiner Geißler moderierten Schlichtung sei der integrale Taktfahrplan, den die Bahn nun samt einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen im Fernverkehr anstrebt, ein Thema gewesen. „Damals hat die Bahn gesagt, dass man ihn nicht brauche, und nun ist der Bahnhof zu klein“, stellt Palmer nüchtern fest.

14 statt acht Bahnsteigkanten nötig

Die Rechnung dazu sei einfach, so Palmer: „Beim integralen Taktfahrplan treffen sich alle Züge zur gleichen Zeit. Erst fahren die Nah-, dann die Fernverkehrszüge in den Bahnhof ein, damit alle umsteigen können. Da es acht Nah- und sechs Fernverkehrslinien gibt, braucht man in Stuttgart 14 Bahnsteigkanten. Es gibt aber nur acht.“ Die nun aus dem Zielfahrplan für 2030 gewonnenen Erkenntnis verpasster Anschlüsse im Durchgangsbahnhof sei „zwangsläufig“.

„Wer als Bundesverkehrsminister den Deutschlandtakt will, muss in Stuttgart im Grunde sofort bauen“, so der Tübinger Verwaltungschef. Durch Umplanungen am Flughafen und Wendlingen sei das Projekt Stuttgart 21 bereits nachgebessert worden. Kommen müsse nun die sogenannte P-Option, die die Verbindung der stark belasteten aus Feuerbach zum Tiefbahnhof führenden Tunnel mit denen aus Bad Cannstatt beschreibt. „Baulich ist das bereits vorgesehen“, so Palmer. Auch die Gäubahn, für die der Regionalverband einen Anschluss im Stuttgarter Norden fordert, müsse in den Tiefbahnhof geführt werden. „Hier gibt es einen Engpass, der Anschluss wäre jetzt noch machbar“, sagt Palmer.

Gleise und Wohnungsbau möglich

Wer den Deutschlandtakt und auch aus Klimaschutzgründen die Verdoppelung des Bahnverkehrs wolle, brauche weitere Gleise. „Mindestens sechs, besser aber acht weitere Bahnsteigkanten und damit vier Gleise durch den Schlossgarten betreffen aber unmittelbar das Geschäft meines OB-Kollegen Fritz Kuhn“, so Palmer.

Der Kreisverband der Grünen in Stuttgart hat bereits im Februar in einer Resolution bei nur drei Gegenstimmen für unterirdische Zusatzgleise votiert, die im 90-Grad-Winkel unmittelbar vor dem Tiefbahnhof enden sollen. Weil oben Wohnungsbau stattfinden solle, müsse man „nicht über oberirdische, sondern auch über unterirdische Lösungen reden“, hatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) damals geworben. „Es geht um Zulaufgleise in der Ebene minus 1“, sagt Hermann heute.