Im Kernerviertel wurde ein Haus in Mitleidenschaft gezogen – mutmaßlich durch Arbeiten an dem Stuttgart-21-Tunnel. Es kann derzeit nicht genutzt werden.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - In der Fassade des Hauses an der Kernerstraße 30 zeigen sich seit wenigen Tagen unübersehbare Risse. Das Haus im Kernerviertel steht über einer der beiden Tunnelröhren, die in diesem Bereich für Stuttgart 21 gebaut werden.

 

Gebäudeteil provisorisch abgestützt

Den Anwohnern des Viertels schwante schon nichts Gutes, als am Wochenende Vermessungsteams rund um den Schützenplatz ausschwärmten. Auf der Internetseite der Netzwerke, in denen sich projektkritische Anwohner, die vom Bau betroffen sind, zusammengeschlossen haben, werden Bilder von dem betroffenen Gebäude gezeigt. „In einem Zwischenbau, der die zwei Gebäude Kernerstraße 30 und Schützenstraße 14 verbindet, haben sich in den vergangenen Tagen Risse gebildet“, erklärt ein Projektsprecher auf Anfrage. Für die Bewohner des Hauses hat der Zwischenfall Konsequenzen. Nach Einschätzung der Bahn sei zwar die Standsicherheit nicht gefährdet und das Gebäude weiter bewohnbar. Gleichwohl habe man den Anwohnern „jedoch mitgeteilt, dass der nur zu einem geringen Teil zu Wohnzwecken genutzte Zwischenbau präventiv derzeit nicht genutzt werden sollte“, so der Projektsprecher. Der Hausbesitzerin sei ein vorübergehender Umzug in ein Hotel angeboten worden. Am Dienstag rückten Bauarbeiter an, um den Durchgang des Gebäudes provisorisch abzustützen.

Häuser wurden angehoben

Frank Schweizer, Sprecher des Netzwerks Kernerviertel und Nachbar des betroffenen Gebäudes, wird deutlich. „Die Besitzerin schaut jetzt durch die Risse auf die Kernerstraße.“ Noch habe der Tunnelbau den Untergrund des Gebäudes nicht erreicht. Aber das Nachbargebäude Schützenstraße 14 war vorsorglich um einige Millimeter angehoben worden. Schweizer vermutet hierin den Grund für die Risse. Die Bahn erklärt, diese sogenannten Hebungsinjektionen, bei denen eine Zementsuspension unter die Gebäude gepresst wird, seien im Bereich der Häuser Schützenstraße 8 bis 14 vergangene Woche abgeschlossen worden.

Besonders komplexer Abschnitt von Stuttgart 21

Der beschädigte Bau an der Kernerstraße 30 ist laut der Bahn nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden – im Zuge des Wiederaufbaus beider Nachbarhäuser, die im „Weltkrieg zerstört und danach auf den bestehenden Fundamenten wieder aufgebaut“ worden seien, wie es bei der Bahn heißt. Vom nun in Mitleidenschaft gezogenen Gebäude gebe es wenige Planunterlagen, so dass der „genaue konstruktive Aufbau dieses Zwischenbaus und dessen Anschluss an die beiden Gebäude derzeit noch unklar“ sei, erklärt der Projektsprecher. Ein externer Gebäudesachverständiger habe das Haus vorab betrachtet, eine Rissbildung sei nicht zu erwarten gewesen.

Der Abschnitt unter dem Kernerviertel gilt als besonders komplex. Vom nun in Mitleidenschaft gezogenen Haus bis zu den künftig darunter verlaufenden Schienen gibt es einen Abstand von rund 45 Metern. Diese sogenannte Überdeckung nimmt ab, je weiter die Tunnel Richtung Willy-Brandt-Straße weiterführen.