Die Bahn will vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht eine Beteiligung der Partner an Mehrkosten für Stuttgart 21 erstreiten. Zuvor hatte es das grün-schwarze Landeskabinett abgelehnt, eine Verjährungsfrist eventueller Ansprüche der Bahn zu verlängern.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Die Finanzierung von Stuttgart 21 wird die Gerichte beschäftigen. Wie erwartet hat es das grün-schwarze Landeskabinett am Dienstagvormittag abgelehnt, die Verjährungsfrist eventueller Ansprüche der Bahn gegen das Land zu verlängern. Mit diesem Ansinnen war die Bahn an die Projektpartner – neben dem Land, die Stadt Stuttgart, der Regionalverband sowie der Manfred-Rommel-Airport – herangetreten. Nach der Kabinettsentscheidung beschloss der Vorstand der DB AG Klage einzureichen.

 

Winfried Kretschmann sieht der Klage gelassen entgegen

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht der sich nun abzeichnenden gerichtlichen Auseinandersetzung gelassen entgegen. „Wir gehen davon aus, dass wir sehr gute Argumente haben“, sagte der Regierungschef am Dienstag. Zugleich unterstrich er, dass sich das Land über die bereits zugesagten 930 Millionen Euro hinaus nicht an dem Milliardenprojekt beteiligen werde. Hinter vorgehaltener Hand heißt es beim Land immer wieder, man sei zwar Mitfinanzier, nicht aber Bauherr von Stuttgart 21 – und sehe daher auch wenig Gefahr, über das Beschlossene hinaus zur Kasse gebeten zu werden.

Das entscheidet sich nun also vor Gericht. Denn der Vorstand der Deutschen Bahn AG beschloss bei seiner Sitzung am Dienstag unter Verweis auf den Stuttgarter Kabinettsbeschluss, Klage gegen die Projektpartner einzureichen. Dies soll noch in diesem Jahr beim Stuttgarter Verwaltungsgericht geschehen. Der Schienenkonzern will erreichen, dass sich die Partner an den Mehrkosten für den Umbau des Stuttgarter Bahnknotens beteiligen. Laut dem Finanzierungsvertrag aus dem Jahre 2009 sollte Stuttgart 21 rund 4,5 Milliarden Euro kosten, die Bahn veranschlagt mittlerweile 6,5 Milliarden Euro. Der Aufsichtsrat der Bahn hatte diese Kostensteigerung im März 2013 gebilligt, verbunden mit der Maßgabe an den Vorstand, die Projektpartner an der Finanzierung der Mehrkosten zu beteiligen.

Gespräche brachten keine Ergebnisse

Im Finanzierungsvertrag heißt es in einem Passus – der sogenannten Sprechklausel – dass im Falle sich abzeichnender Mehrkosten die Bahn Gespräche mit dem Land aufnimmt. Diese Verhandlungen waren zuletzt ergebnislos geblieben. Eben aus der besagten Sprechklausel leitet die Bahn auch ihre Ansprüche ab. Zudem erinnert der Konzern an den ebenfalls vereinbarten Risikotopf, an dem Land, Stadt und Flughafen zu 65 Prozent, die Bahn zu 35 Prozent beteiligt sind.

In der Stadt wird sich der Gemeinderat in seiner Sitzung am 8. Dezember mit der sogenannten Verjährungshemmung beschäftigen. Die Verwaltung empfiehlt den Stadträten, diese abzulehnen. Die Region diskutiert das Thema in der Sitzung des Planungsausschusses am 14. Dezember, bei der Flughafengesellschaft steht es auf der Tagesordnung der Aufsichtsratssitzung am 6. Dezember.

Grüne sehen den Bund in der Pflicht

Trotz der angekündigten Klage versuchen die Akteure weiterhin das Miteinander zu pflegen. So heißt es bei der Bahn: „Der DB-Vorstand folgt ausdrücklich der Sicht des Landesverkehrsministers, dass das Anrufen des Gerichts keinen Einfluss auf die gute Zusammenarbeit unter allen Partnern bei der Realisierung des Projekts Stuttgart 21 haben wird“. Der genannte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) meldete sich am Dienstag über den Kurznachrichtendienst twitter zu Wort: „DB hat das gute Recht, ihre Forderungen an S-21-Projektpartner vom Gericht klären zu lassen. Aber es ist ein schlechtes Signal an die Länder.“ Bei der Frage, wie die Kostensteigerung zu bewältigen sei, sieht Hermann „die DB und ihren Eigentümer, den Bund, in der Pflicht, eine Lösung zu finden.“ Eine Ansicht, der sich auch Hermanns Parteifreund Matthias Gastel anschließt. Der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion erklärte, es sei „absurd, dass die Deutsche Bahn Stadt und Land verklagt, der Bund jedoch außen vor bleiben soll.“ Die Bundesregierung sei maßgeblich dafür verantwortlich, dass S 21 im Jahr 2013 trotz Kostenexplosion weitergebaut wurde.

Unbeeindruckt vom Gezerre ums Geld hat am Dienstag eine gut 20-köpfige Delegation des Gemeinderats der Bahnhofsbaustelle einen Besuch abgestattet.

Stuttgart 21 beschäftigt auch andere Gerichte

Stuttgart 21 ist nicht nur ein Bahn- und Städtebauprojekt, es ist auch dafür verantwortlich , dass den Gerichten die Arbeit nicht ausgeht. Während der weitere Zeitplan für die angekündigte Klage noch ungewiss ist, steht der nächste Gerichtstermin im Zusammenhang mit dem Umbau des Stuttgarter Bahnknotens schon fest. Am 17. Januar 2017 wird der Verwaltungsgerichtshof Mannheim die Klage eines Stuttgarter Hausbesitzers gegen das Land Baden-Württemberg verhandeln. Der Eigentümer, unter dessen Haus ein Tunnel für S 21 gebaut wird, wehrt sich gegen die vom Regierungspräsidium Stuttgart verfügte sogenannte vorzeitige Besitzeinweisung. Die erlaubte es der Bahn, die Arbeiten unter dem betreffenden Grundstück fortzuführen, obwohl sich der Besitzer und die Bahn im Vorhinein nicht auf eine vertragliche Regelung der Inanspruchnahme des Grundstücks einigen konnten. Der Hausbesitzer wirft der Bahn zudem vor, ein Bauverfahren anzuwenden, das nicht von der Baugenehmigung abgedeckt ist