Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Frage diskutiert, wie nach Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs mit den oben liegenden Eisenbahnanlagen zu verfahren sei. Privatbahner wollen die Strecken übernehmen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Mehr als zwei Stunden lang hat sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag mit Stuttgart 21 beschäftigt. In der Verhandlung vor dem dritten Senat unter Vorsitz von Richterin Renate Philipp ging es um die Frage, wie mit den oberirdischen Gleisflächen in der Stuttgarter Innenstadt verfahren werden soll, wenn nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 die Züge durch den Untergrund rollen. Eine Entscheidung wird das höchste deutsche Verwaltungsgericht am kommenden Donnerstag verkünden.

 

Die Stuttgarter Netz AG (SNAG), in der sich Privatbahninteressierte zusammengeschlossen haben, will die aus Sicht der Bahn nach Eröffnung des neuen Bahnknotens entbehrlichen oberirdischen Anlagen weiterbetreiben. Dafür sei ein Stilllegungsverfahren nach den Vorgaben des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) vonnöten, argumentieren die Privatbahner. Ein solches solle das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) vorschreiben. Gegen die Genehmigungsbehörde richtete sich die Klage. Die Bahn und die Landeshauptstadt nahmen als Beigeladene an der Verhandlung teil.

Niederlage in der ersten Instanz

Mit ihrer Sichtweise war die SNAG im August 2016 vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht gescheitert, dessen Richter die Klage als unzulässig abwiesen. Das Stuttgarter Gericht hatte allerdings darauf hingewiesen, dass es vor Stilllegung der oberirdischen Gleise ein Planfeststellungsverfahren für geboten hält. In dessen Rahmen könne die SNAG ihr Interesse bekunden.

In der ausführlich geführten Debatte in Leipzig stand immer wieder die Frage im Mittelpunkt, ob sich die Regelungen des Gesetzgebers auf Anlagen in funktionaler Hinsicht oder auf konkrete Einrichtungen beziehen. Die Vertreter von Eba, Bahn und Stadt betonten ein ums andere Mal, das mit Stuttgart 21 die Bahnanlagen in Stuttgart so umgebaut würden, dass alle heute bestehenden Verbindungen auch künftig gefahren werden könnten. Man könne auch Kopf- und Durchgangsbahnhof nicht voneinander trennen. „Dass beide Anlagen zeitweise nebeneinander existieren, liegt an der Länge der Bauzeit“, erklärte etwa Eba-Vertreter Reinhard Hennes. Bahn-Anwalt Peter Schütz ergänzte, „dass es oben gar nichts mehr zu übernehmen gibt, wenn der Planfeststellungsbeschluss für Stuttgart 21 einmal umgesetzt ist“. Rainer Bohnet, Geschäftsführer der SNAG, hielt dem entgegen, die oberirdischen Anlagen seien „betriebswichtig im Sinne des Gesetzes. Uns liegen Anfragen von Bahnunternehmen vor, dort zu fahren“.

Bahnanwalt sät Zweifel an den Absichten der Klägerin

Schütz hatte zudem infrage gestellt, ob die SNAG überhaupt in der Lage sei, den Kopfbahnhof weiter zu betreiben. „Oder soll hier nur ein Rechtsgutachten eingeholt werden, von dem man nicht weiß, ob man es jemals für etwas anderes braucht, als dem ungeliebten Projekt Stöckchen in die Speichen zu werfen?“ Dem widersprach SNAG-Anwalt Michael Sitsen . „Wir distanzieren uns von den S-21-Gegnern. Wir benötigen den Tiefbahnhof, um oben das Geschäftsmodell umsetzen zu können.“

Von den Gegnern war eine kleine Delegation mit Eisenhart von Loeper an der Spitze nach Leipzig gereist. Der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S 21 ist selbst Anwalt und wertete die Verhandlung als „gute Diskussion“. SNAG-Chef Bohnet wollte nach Sitzungsende keine Prognose abgeben, wie das Gericht entscheidet.