1906 ist in Untertürkheim der Bayernverein gegründet worden. Bei der Theatergruppe zeigt sich aber, dass er zunehmend vom schwäbischen Brauchtum infiltriert wird.

Untertürkheim - Die meisten Menschen wissen vermutlich nicht, was ihr Ur-Ur-Großvater vor genau 106 Jahren gemacht hat. Die 19-jährige Vanessa Fischer aus Untertürkheim hingegen schon. Ihr Großvater, Johann Wismüller, hat nämlich im Jahr 1906 zusammen mit ein paar Landsleuten den Untertürkheimer Bayernverein Edelweiß gegründet.

 

Dass seine Familie diesem Verein auch nach vier Generationen noch angehören würde, hätte sich Wismüller damals aber wohl auch nicht träumen lassen.

So wie Vanessa Fischer wurde vielen Mitgliedern des Bayernvereins die Mitgliedschaft sprichwörtlich mit in die Wiege gelegt. Denn wie bei ihr verstecken sich in den Stammbäumen vieler Untertürkheimer bayerische Wurzeln.

Ende der 50er Jahre gab es die letzte Einwanderungswelle

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts siedelten sich viele Bayern in der Region an, die beginnende Industrialisierung hatte sie nach Stuttgart gelockt. Im Königreich Württemberg waren sie Migranten, die ihre eher ländlich geprägte bayerische Heimat auf der Suche nach Arbeit verlassen hatten. „Und wie das eben so ist, wenn man in der Fremde lebt, dann gründet man einen Verein“, sagt Dagmar Beer. Ihr Urgroßvater gehörte ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern des Bayernvereins.

Seit dieser Zeit hat sich allerdings vieles im Verein verändert. In den Gründungsjahren durften nur waschechte Bayern dem Verein beitreten. Diese Vorschrift wurde aber schon vor langer Zeit abgeschafft. Vermutlich würde es den Bayernverein sonst auch gar nicht mehr geben. Ende der 1950er Jahre gab es die letzte große Einwanderungswelle aus Bayern, danach wurde die Landesgrenze nur noch sporadisch überquert. Neben den vielen Schwaben gibt es inzwischen sogar zwei Dänen im Untertürkheimer Bayernverein.

Es gibt Kinder- und Jugendtanzgruppen

Und während es den Bayern am Anfang vordringlich darum ging, sich in dem fremden Land gegenseitig zu helfen, steht für die heutigen Mitglieder eher die Pflege des bayerischen Brauchtums im Vordergrund. Beim Cannstatter Volksfestumzug tragen sie Dirndl und Lederhosen. Beim Internationalen Volkstanztreffen legen sie einen Schuhplattler aufs Parkett. Sie spielen Schafkopf, ein in Bayern sehr beliebtes Kartenspiel.

Und bei den wöchentlichen Treffen darf der Bärwurz, ein bayerischer Schnaps, natürlich nicht fehlen. Bei der vereinseigenen Theatergruppe wird aber deutlich, dass der Bayernverein zunehmend vom schwäbischen Brauchtum infiltriert wird.

Das traditionelle Mundart-Theaterstück, das es in diesem Jahr am 21. April in der Untertürkheimer Sängerhalle zu sehen gibt, heißt nicht nur „Der schwäbische Picasso“. Es wird auch zum ersten Mal auf Schwäbisch und nicht wie in den vergangenen Jahren auf Bayerisch aufgeführt. Peu à peu löst sich der Verein also von seinen bayerischen Wurzen und andere Dinge rücken in den Mittelpunkt.

„Wir sind ein Familienverein“, sagt der erste Vorsitzende Werner Huber. Es gibt Kinder- und Jugendtanzgruppen, aber auch einen Rentnerclub. Vom Kleinkind bis zum Großvater sei für jeden etwas dabei. Dennoch leidet der Bayernverein genau wie die meisten anderen Vereine unter einem stetigen Mitgliederschwund. Ende der 80er Jahre zählte der Verein noch 220 Mitglieder. Heute sind es zwar immer noch 150, aber nur 40 davon nehmen auch aktiv am Vereinsleben teil.

Viele Mitglieder, die als Kinder in den Bayernverein eingetreten sind, leben gar nicht mehr in Untertürkheim. „Sie sind über das ganze Stadtgebiet verteilt“, erklärt Dagmar Beer. Neue Mitglieder sind immer willkommen. Besonderer Voraussetzungen bedarf es nicht. „Sie müssen nur Spaß am Tanzen, an der Musik und an der Geselligkeit haben“, sagt Dagmar Beer.

Bayernverein Edelweiß

Anschrift Strümpfelbacher Straße 38, 70327 Stuttgart Mail vorstand@bayernverein-untertuerkheim.de Homepage www.bayernverein-untertuerkheim.de

Vorsitzender Werner Huber Gründungsjahr 1906 Mitgliederzahl 150