Die Straßenbahnen fuhren meist oben – auf der Königstraße ebenso wie vor dem Hindenburgbau, wie er damals hieß. 2010 hat das Kulturdenkmal den Namen verloren. Dennoch hängt bis heute ein Schild der Stadt mit alter Bezeichnung an der Fassade.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Auch wenn man sich zuweilen in volle Züge drückt, sich nicht selten über Unpünktlichkeit ärgert oder über Fahrgäste, die ihre Maske mit freier Nase tragen - die Liebe zu Gelben ist in Stuttgart ungebrochen!

 

„Bei diesen alten Straßenbahnen wird’s einem doch gleich ganz warm ums Herz!“, schreibt Helmut Mayer im Internetportal des Geschichtsprojekts Stuttgart-Album. Wir wollen uns heute deshalb an einer kleine Auswahl an alten Straßenbahnen-Fotos erfreuen, die wir unter anderem von Wibke Wieczorek-Becker und Thomas Mack bekommen haben.

Bis 1987 fuhr die Straßenbahn auf der Neuen Weinsteige

Straßenbahnen wecken Kindheitserinnerungen. Unvergessen ist in Stuttgart, wie auf der Neuen Weinsteige, auf der „schönsten Straßenbahnstrecke Europas“, wie man sie nannte, bis 1987 rollende Plattformen mit genialer Fernsicht verkehrten. Vor 35 Jahren war’s vorbei damit. Das Verkehrsaufkommen war immer größer geworden, die Neue Weinsteige war längst zu schmal für Autos, Bahnen, Busse und Fahrräder. Die Ära der traumhaften Aussicht endete am 25. September 1987. Für die Stadt ist dieser Tag ein historisches Datum. Damals mussten der Fünfer und auch der Sechser in der parallel verlaufenden Tunnelröhre verschwinden. Dazu bemerkt ein Kommentator beim Stuttgart-Album: „Straßenbahn, die ja längst Stadtbahn heißt, in den Tunnel zu verlegen, war ein Fehler – aus touristischer Sicht. Die kurzen Ausblicke auf die City können für die lange Genussstrecke aus früheren Zeiten nicht entschädigen.“

Ein Schild mit der Aufschrift „Hindenburgbau“ hängt immer noch

Reger Straßenbahn-Verkehr herrschte einst am Bahnhof - oberirdisch. Die Königstraße war noch keine Fußgängerzone, der heute namenslose Bau hieß damals noch Hindenburgbau. Begründet wurde die Forderung nach Umbenennung 2009 im Gemeinderat damit, dass Hindenburg „Symbolfigur der Feinde der Demokratie und der Weimarer Republik“ gewesen sei und „Hitler den Weg geebnet“ habe. Die Stadt Stuttgart widerruf die 1933 verliehene Ehrenwürde. Die damaligen Besitzer des Gebäudes, die Landesbank Immobilien, zogen die Namensbezeichnung ab und entfernten den großen Schriftzug an der Fassade. Ein kleines Schild der Stadt unten am Haus, an der Ecke zur Passage, wo „Klein-Stuttgart“, das detailgetreue Eisenbahn- und Stadtmodell der 1980er einzieht und bald eröffnet wird, aber ist geblieben, auf dem noch immer „Hindenburgbau“ steht.

Mit der Pferdebahn hat alles angefangen

Die Geschichte der SSB geht auf das Jahr 1868 zurück. Mit der Pferdebahn hat alles angefangen. Die SSB entstand durch die Fusion von zwei Pferdebahn-Gesellschaften. Bereits 1895 hat man die Rösser ausgespannt und die erste elektrische Strecke von Berg zum Charlottenplatz eröffnet.

Dass Stuttgart zu den ersten Städten in Deutschland zählt, in denen eine Pferdebahn fuhr, verdanken die Schwaben dem Bauunternehmer und Sägewerksbesitzer Georg Schöttle. Kutschen und Pferdefuhrwerke bestimmten in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Straßenbild. 70 000 Menschen lebten damals im Kessel – die meisten von ihnen waren zu Fuß unterwegs.

1959 wurde die Strampe vom Typ GT 4 zum ersten Mal ausgeliefert

Wollte einer von ihnen das neue Bad in Berg besuchen, war dies mit großem Aufwand verbunden. Schöttle, 1823 im Bohnenviertel geboren, erkannte die Marktlücke. Für Ausflügler, aber auch für die von den -Mineralquellen angelockten Touristen ließ er Schienen für eine Pferdebahn zwischen dem Staatsarchiv an der Neckarstraße (heute Konrad-Adenauer-Straße) und dem Kurbad in Berg bauen. Zwei Pferde zogen den -Wagen. Eine Fahrt hat damals drei Kreuzer gekostet.

Die 1959 zum ersten Mal ausgelieferten, in Esslingen produzierten Straßenbahntriebwagen vom Typ GT4 sind heute noch die Stars in den Erinnerungen vieler Stuttgarter. Im ehemaligen Straßenbahnbetriebshof Bad Cannstatt, in der Straßenbahnwelt, kann die gute, alte Strampe bewundert werden, die 2007 ausrangiert worden ist und endgültig Platz für die Stadtbahn gemacht hat.

Am 16. November fuhr die letzte Straßenbahn über den Schlossplatz

Strambe oder Strampe? Wie schreibt man sie richtig? Eigentlich müsste es ein b sein, weil die Abkürzung für Straßenbahn und Trambahn steht. Durchgesetzt hat sich jedoch die „Strampe“ mit p – auch in den Publikationen der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), die noch das Wort Straßenbahnen im Namen führt, obwohl längst nur noch Stadtbahnen viel ruhiger fahren. Am 16. November 1978 fuhr die letzte Straßenbahn über den Schlossplatz. Danach ging’s unterirdisch weiter.

Seit 1863 rumpelt die Tube im Untergrund von London, die Pariser bekamen 1900 ihre Metro, und die U-Bahn in Berlin ging 1902 an den Start.

Jeder kann Straßenbahngeschichten erzählen

Stuttgart musste etwas länger warten, bis das Leben unter der Erde weitergehen konnte. 1961 beschließt der Gemeinderat, die zentralen Strecken des öffentlichen Nahverkehrs tieferzulegen – insgesamt sind es 17 Kilometer. Es traute sich niemand, die ersten Versuche des unterirdischen Vorwärtskommens als „U-Bahn“ zu bezeichnen. Man nennt die neuen Linien „U-Straßenbahn“ – denn die Bahnen schauen immer wieder raus aus der Erde, als müssten sie Luft schnappen, und dann geht’s wieder runter.

Straßenbahn-Geschichten – jeder kann welche erzählen. Nachts um halb eins trafen sich einst alle Linien auf dem Schlossplatz und warteten aufeinander, so dass man in die Bahn umsteigen konnte, die einen heimbrachte. Es gab Schaffner, die von Platz zu Platz gingen und Fahrscheine verkauften, die je nach Entfernung unterschiedlich kosteten. Sie hatten verschiedenfarbige Ränder. Auf den Fahrscheinen war ein stilisierter Netzplan aufgedruckt, und die Schaffner markierten mit blauer Fettkreide die Einstiegshaltestelle und strichen auf einem Uhrenkreis die Zeit ab. In den ersten GT4-Wagen befand sich hinten eine Kabine, in der der Schaffner saß, und der stempelte Tag und Uhrzeit auf.

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