Von der einstigen Pracht blieb nichts übrig. Jetzt endlich soll die Villa Berg vor dem Verfall gerettet und mit dem Park dem Volk zurückgegeben werden. Die Geschichte dieses Kleinods ist eine Geschichte der Irrtümer, der Spekulanten und eines starken Bürgerwillens.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Rücken Demonstranten mit Schlafsäcken an? Ketten sie sich an das verrostete Terrassengeländer? Als sich 2013 die Initiative Occupy Villa Berg gegründet hat, sind die Mitglieder irritiert gefragt worden: „Und ihr wollt wirklich die Villa besetzen?“

 

Noch wusste damals keiner, was aus der einst prunkvollen Sommerresidenz von Kronprinz Karl und seiner Olga werden sollte. Das heruntergekommene Baudenkmal war nach der Insolvenz der Häussler-Gruppe, die 2007 Villa und Studios vom SWR übernommen hatte, mit den neuen Düsseldorfer Investment-Besitzern zum Objekt der Spekulation geworden. Nun trat Occupy Villa Berg an, um einen „öffentlichen Raum“ für die Bürger zurückzuerobern.

Das Etappenziel ist erreicht. Die Initiative kann das Ende ihres Engagements verkünden. OB Fritz Kuhn hat die Villa Berg, die auf verschlungenen Wegen zum zweiten Mal in ihrer Geschichte in den Besitz der Stadt gekommen ist, zur Chefsache erklärt.

Tag der offenen Tür am 23. April

An der Landhausvilla, die im 19. Jahrhundert über einen vergoldeten Ballsaal verfügte, der die pure Walzerfreude bei jeglicher Art von Majestät ausgelöst hat, soll die grüne „Politik des Gehört-Werdens“ vorgeführt werden. Mit der Bürgerbeteiligung will der Rathauschef die Villa Berg für immer und ewig als Pluspunkt seiner Amtszeit verbuchen. Am Samstag, 23. April, soll ein Tag der offenen Tür der Startschuss für die Demokratisierung eines historischen Erbes sein.

Wo einst Kronleuchter strahlten und französische Kamine knisterten, ist heute der Boden wellig und Wände bröckeln. Im Facebook-Forum unseres Geschichtsprojekts Stuttgart-Album wird der Niedergang eifrig diskutiert. „Die Villa Berg steht für den schwierigen Umgang der Stadt Stuttgart mit ihrer Geschichte als königliche Residenzstadt“, schreibt User Andreas Betsch, „vieles aus dieser Zeit wurde unwiederbringlich ausgelöscht.“ Uneins sind sich die Kommentatoren, ob man den alten Glanz zurückholen sollte, was zum Ausbau des Großen Sendesaals des SDR/SWR führen würde. Der ist mit vielen Erinnerungen verbunden. Hier haben Leser Quizspiele wie „Rate mal mit Rosenthal“, Konzerte mit Dunja Rajter oder den 20. Geburtstag der Fantas erlebt, wovon sie wehmutsvoll auf der Facebook- Seite des Albums berichten.

Der russisches Zar Alexander kann nichts mehr posten. Er führte 1857 hier Friedensgespräche mit dem französischen Kaiser Napoleon. Nach dem Tod von Königin Olga erbte Herzogin Wera von Württemberg die Villa und lebte dort bis 1912. Deren Töchter verkauften 1915 das Gebäude samt Park für knapp drei Millionen Mark an die Stadt Stuttgart. Seit dieser Zeit war der Park frei zugänglich. Zunächst brachte man verwundete Soldaten in der Villa unter. Dann zog die Städtische Gemäldegalerie ein. Nach dem Krieg bekam der SDR das von Bomben schwer beschädigte Baudenkmal im Tausch für die Karlshöhe, die dem Sender gehörte.

Bürgerideen sind gefragt

Ohne Genehmigung ließ der SDR das Haus umbauen, was heute Denkmalschützern die Zornesröte ins Gesicht treibt – die Villa wurde ein weiteres Mal zerstört. 2007 verkaufte der Sender das zur Last gewordene Gebäude an Investor Rudi Häussler.

Damit begann der Kuhhandel mit Villa und Sendestudios. 2013 beschloss die Stadt, keine Änderung des Bebauungsplans für eine Wohnbebauung vorzunehmen. Vom Stolz der Königsfamilie zu einem lebendigen Ort fürs Volk – das Happy End scheint geglückt. Jetzt dürfen Bürger das einstige Kronprinzendomizil besichtigen und Vorschläge zur künftigen Nutzung machen. In der Stadtplanung, darüber freuen sich viele, gewinnen nicht immer die Spekulanten.