Mal grün, mal kahl, mal gemieden, mal cool – der Marienplatz im Stuttgarter Süden ist ein geschichtsträchtiger Ort. Sein Aussehen hat sich oft verändert, bevor ein urbaner Treff zum Wohlfühlen entstanden ist.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Bei Sonnenwetter erblühen im Stuttgarter Süden südländische Gefühle. Pizza, Espresso, Eisbecher – Bella Italia rückt ganz nah ran an den Marienplatz. Ein bisschen ist’s wie im Urlaub. Draußen hocken kann so schön sein. Plätze erfüllen in einer Großstadt am allerbesten ihren Zweck, wenn sie Menschen verbinden und wie ein öffentliches Wohnzimmer zum Verweilen einladen, man sich also wie daheim fühlt.

 

Benannt ist diese Oase im dicht bewohnten Stadtviertel seit 1876 nach Maria von Waldeck und Pyrmont, der späteren Frau von König Wilhelm II. Im Jahr 1892 kam eine Attraktion hinzu: Albert Hangleiter errichtete hier ein Zirkusgebäude, das beheizt und mit elektrischem Licht ausgestattet war. Es fasste 3500 Personen. Neben Zirkusaufführungen gab es bis 1914 Sportveranstaltungen, Maifeiern und Parteitage.

Paul Bonatz hat den Zacke-Bahnhof gebaut

Oben auf der Halbhöhenlage bauten Fabrikbesitzer ihre Villen, unten im Tal siedelten sich die kleinen Leute an. Der Marienplatz besaß einst eine Rasenfläche, die wohl eher zum Anschauen als zum Betreten gedacht war. Auf den alten Fotos sieht man keine Menschen auf dem Grün, sondern immer nur drumherum. Die Bänke dagegen waren gut belegt. Vorne fuhr die Linie 3 der Straßenbahn vorbei. „Zahnradbahn nach Degerloch“ stand auf der Glasfassade des Kiosks. 1936 ist der Bahnhof der Zacke, die seit 1884 (zunächst dampfbetrieben) den steilen Weg nach oben kletterte, von der Filderstraße auf den Marienplatz verlegt worden. Architekt der Zacke-Haltestelle war Paul Bonatz, der Erbauer des Hauptbahnhofs. .

Später missbrauchten die Nazis die zentrale Fläche als „Platz der SA“, wie auf alten Postkarten zu lesen ist. Stuttgart, so steht außerdem da drauf, hieß im Dritten Reich „Stadt der Auslandsdeutschen“. Marcel Zügel weiß, warum. „Jede Stadt bekam damals einen Zusatztitel verliehen“, schreibt er auf der Facebook-Seite unseres Geschichtsprojekts „Stuttgart-Album“: „Das Wort Auslandsdeutsche war eine Beschreibung für Menschen, die deutsch waren, aber im Ausland lebten. Im alten Waisenhaus am Charlottenplatz, dem heutigen Institut für Auslandsbeziehungen, befand sich der Sitz der Auslandsdeutschen, weshalb Stuttgart im Nazireich zu diesem Titel kam.“

„Der Platz ist offen und durchsichtig gestaltet“

Umstritten war im Jahr 2003 die Neugestaltung des Marienplatzes, der zu einem sozialen Brennpunkt mit Drogendealern geworden war. „Heslach-Bronx“ nannte man den Ort, den viele gemieden haben. Man eilte schnell hindurch und hinaus, aber wollte nicht mittenrein. Es musste etwas geschehen. Anwohner waren zunächst in der Mehrheit entsetzt über den Entwurf von Architekt Heinz Lermann ohne Sonnenschutz. Die Stadt hingegen rühmte den Ort als „frei und mediterran“.

Es dauerte, bis der Marienplatz angenommen wurde und sich von der Betonwüste zum Szenetreff entwickelte. Hufeisenförmig umschließt eine Baumallee aus rotblühenden Kastanien den Platz, der für viele Stuttgarter zu einem ihrer Lieblingsorte geworden ist. „Der Platz ist offen und durchsichtig gestaltet“, sagen die Stadtplaner, „mit der Ringallee ist eine Einladungsgeste nach allen Seiten formuliert.“ Mit der angrenzenden Gastronomie und mit Sommerfesten hat Stuttgart seinen „wilden Süden“ bekommen, ganz so, wie’s der unvergessene Slogan des Senders SDR 3 einst angepriesen hat.

Alte Fotos vom Marienplatz regen zu heftigen Diskussionen an

Im Internetforum unseres Stuttgart-Albums regen die Fotos des alten Marienplatzes zu heftigen Debatten an. „Früher mit dem grünen Rasen war er viel schöner“, schreibt Kommentatorin Maria König. Dirk Wein hält dagegen: „Hier gibt es heute soviel Bäume wie nie zuvor.“ Diese wurden nur nicht zentral auf dem Platz gepflanzt., sondern drumherum. Nicht wenige sagen, die beste Pizza und das beste Eis der Stadt findet man am Marienplatz.

Diskutieren Sie mit unter: www.facebook.com/Ablum.Stuttgart. Zu unserer Serie sind drei Bücher erschienen, zuletzt „Das Beste aus dem Stuttgart-Album“. Wer sich für die Stuttgarter Stadtgeschichte interessiert kann den Newsletter „StZ Damals“ kostenlos abonnieren und sich anmelden unter: http://stzlinx.de/stzdamals.