Eine Bar mit dem Namen Studio Amore belebt das leer stehende Hotel am Schlossgarten, bevor es generalsaniert wird. Wir erinnern an die Geschichte der Luxusherberge – als sie etwa für Mick Jagger ein Ort für Amore war.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Die Rolling Stones stiegen hier ab, für Harald Schmidt war’s seine Stuttgart-Residenz: Das 1962 eröffnete Hotel am Schlossgarten ist im vergangenen Juni geschlossen worden. Das gesamte Areal, auf dem einst die Pferde des Königs im Marstall wieherten, soll umgebaut und neu gestaltet werden. Das Gebäude gehört der Landesbank Baden-Württemberg, deren Tochterfirmen die Häuser Königstraße 1–3 zwischen Schillerstraße und Pusteblumenbrunnen nebst dem Hotel am Schlossgarten zu einem „städtebaulich anspruchsvollen, hellen, sicheren und belebten Viertel“ machen wollen.

 

Noch ist der Bauantrag für die großen Pläne nicht gestellt. Es dauert also noch, bis es losgehen kann. Darüber können sich die junge Wirte freuen, die das Erdgeschoss des Hotels mit Zugang in den ersten Stock zum Studio Amore machen und Gäste aus jeder Generation in diese brummende Location unter die Discokugel locken.

Im September 1970 kostet die Karte für die Stones 20 D-Mark

Und nicht zum ersten Mal wird das Fünfsternehotel am Schlossgarten, das seit mehr als 25 Jahren zur Althoff-Gruppe gehört und mit über 100 Zimmern oder Suiten über eine Gesamtfläche von 48 000 Quadratmetern verfügt, zu einem Ort für Amore.

Blicken wir ein gutes halbes Jahrhundert zurück: Am 20. September 1970 spielen die Rolling Stones auf dem Killesberg. Der Eintritt beträgt 20 D-Mark. Nach dem Konzert zieht Mick Jagger ins Hotel am Schlossgarten, damals das beste Haus am Platz. Wer mit ihm die Nacht verbringt, hat Pop-Ikone Uschi Obermaier Jahre später in ihrer Biografie enthüllt.

Mick Jagger nannte sie „Ooooosheee“

„Ich kannte Stuttgart nicht und wollte es nicht kennen lernen, es war trotzdem ein Heimspiel“, schreibt sie. In der Schlossgarten-Herberge unweit des Bahnhofs habe der Portier gesagt, sie sei „so etwa die Zweihundertste“, die nach Mister Jagger gefragt habe. Uschi Obermaier stand in der Halle, als „ein Mann mit schwarz abstehenden Haaren und einem kranken Ausdruck im Gesicht“ durch die Drehtür schlenderte. Es war der Stones-Sänger, der sie „Ooosheee“ nannte und in seine Suite führte. Was dort passierte, dürfte zur Zufriedenheit von Uschi Obermaier ausgefallen sein. Wenige Tage später, ist ihrem Buch zu entnehmen, fuhr sie mit dem Popstar nach Neuschwanstein.

Das Konzert der Stones beginnt im September 1970 in der Halle 6 des Killesberg mit dreistündiger Verspätung – man hat erst noch die Stühle eines Gottesdienstes vom Vormittag wegtragen müssen. An „eine Akustik wie in einer Kloschüssel“ erinnert sich Bert Schäfer auf der Facebook-Seite unseres Stuttgart-Albums. Mick Jagger habe ja in einer Messe- und nicht in einer Konzerthalle gesungen. „Es war ein hammergeiles Erlebnis“, schwärmt Birgit Richtarsky, „die Stimmung war unglaublich.“

Unter den 12 000 Fans befindet sich der damals 18-jährige Martin Schairer, der spätere Ordnungsbürgermeister von Stuttgart. „Wir haben stundenlang auf dem Boden gewartet“, erinnert er sich. Die Polizei erstellte anderntags folgende Liste: „8 Verletzte, 1 Rauchvergifteter, 1 Herzkollaps, 48 Ohnmächtige.“

Der Marstall bot Platz für 400 Pferde

Zurück zu den Pferden am Schlossgarten: 1803 hat Friedrich I. – da war der spätere König von Württemberg noch Kurfürst – beschlossen, den Marstall von der Solitude näher an sein Hauptschloss umzusiedeln. Seine Pferde wollte er unweit seines Wohnsitzes haben – nicht unpassend für eine Stadt, die auf den Stutengarten zurückgeht, auf die Pferdezucht in der sumpfigen Talaue.

Friedrich I. ließ an der Stelle des ehemaligen Siechenhauses einen Steinbau errichten. Der Marstall war 300 Meter lang und nahm etwa 400 Pferde auf. Was wir heute als Fußgängerzone kennen, war damals die Pferdezone der Residenzstadt.

1810 ließ der Herrscher – nunmehr König – von seinem Hofbaumeister Nikolaus Friedrich von Thouret ein Königstor unweit seines Marstalls errichten, als Abschluss der unteren Königstraße, die seit 1811 diesen Namen trägt. Der Torbogen wurde 1922 abgerissen,weil man ihn als Verkehrshindernis sah, unweit des neu eröffneten Hauptbahnhofs. Nach und nach hatten die Pferde des Königs weichen müssen – und 1918 schließlich der letzte König von Württemberg auch. Von 1922 bis 1924 wurde der Marstall für Ladengeschäfte und ein Hotel umgebaut. Im Innenhof entstanden die Palast-Lichtspiele mit fast 1200 Sitzplätzen

„Wir sind offen für alle kreativen Ideen“

Nach dem Krieg sind hier Provisorien für Läden entstanden, ein Sammelsurium an Hütten. Nach dem Abriss wurde das Kaufhaus  für alle (KFA) gebaut, in das später Hertie und Karstadt Sport eingezogen sind - alles ist inzwischen Vergangenheit. 

Bis zu Beginn des Umbaus sollte die Stunde der Pop-up-Projekte schlagen. „Wir sind offen für alle kreativen Ideen“, sagte Hakan Schmitzer, Vorstandsmitglied der Schlossgartenbau AG, die das Marstall-Areal in Schlossgartenquartier umbenannt hat. Die Übergangslösungen zu ermäßigten Mieten begannen an der Königstraße 1 c, wo die Ausstellung „Bauen für eine offene Gesellschaft“ zum 100. Geburtstag des Architekten Günter Behnisch zu sehen war. Gastronomische Zwischennutzungen sind nach dem Studio Amore bisher nicht hinzugekommen. Ein Sprecher der Eigentümer sagt, es habe zwar etliche Vorschläge von Gastronomen gegeben, aber bisher habe man keine Idee davon umsetzen können. Das Studio Amore behält sein Alleinstellungsmerkmal.

Diskutieren Sie mit unter www.facebook.com/Album.Stuttgart. Weitere Infos unter www.stuttgart-album.de