Einst trugen auf dem Wasen nur die Kellnerinnen Dirndl – und stemmten bis zu 14 Krüge gleichzeitig. Wir blicken zurück auf die Anfänge des Stuttgarter Frühlingsfestes, auf Rekorde, Originale und Streitereien.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Seit wann werden die Bierfässer auf dem Wasen auch schon im April angestochen und nicht nur im Herbst? Auf eine genaue Jahreszahl legen sich die Veranstalter nicht fest. Zwar verkünden Plakate und die Homepage vom fröhlichen Treiben, das beim 81. Stuttgarter Frühlingsfest diesmal bis zum 12. Mai währt. Da es Ausfälle in der Zeit des Nationalsozialismus gab, kann mit der Zahl 81 nicht auf das Gründungsjahr geschlossen werden. Obendrein ist es historisch nicht verbürgt, ob es wirklich das 81. Fest ist. Irgendwann nach dem Krieg hat die Stadt per Verwaltungsakt festgelegt, das wievielte Frühlingsfest nun gefeiert werde

 

Als erwiesen gilt, dass 1914 erstmals im Frühjahr ein Pferde- und Hundemarkt auf dem Cannstatter Wasen stattgefunden hat, wohl der Urahn des Frühlingsfestes. Zwar tat man in der Nachbarschaft bei Daimler alles, um Pferde als Zugtiere überflüssig zu machen, doch lange Zeit noch traf man sich zum Pferdemarkt am Neckar.

Etwa zwei Jahrzehnte später wollte die Stadt für die Schausteller nach den harten Winterwochen ohne Rummelplätze etwas tun. Sie sollten auch im Frühling Gelegenheit zum Geldverdienen erhalten. Und das Volk freute sich übers zusätzliche Krügestemmen. 1934 soll erstmals ein Frühlingsfest auf dem Wasen stattgefunden haben, wenn es stimmt, was der 2007 verstorbene Festwirt Walter Weitmann behauptet hat. Alte Briefe aus den 1950ern zwischen einer Standesorganisation der Schausteller und dem damaligen OB Arnulf Klett belegten dies. Allerdings, so erzählt man sich noch heute, wollte Weitmann damit seinem Intimfeind Willi Stamer eins auswischen.

Streit der Schausteller

Die Stadt hatte Stamer für seinen Biergarten einen guten Standplatz gegeben, wegen seiner Verdienste um die Wiedereinführung des Frühlingsfestes 1955. Da es das Frühlingsfest aber bereits vor dem Krieg gegeben habe, seien Stamers Verdienste nicht allzu groß, argumentierte Weitmann seinerzeit. Auf jeden Fall nicht groß genug, um ihn mit einem guten Platz zu belohnen.

Das ist lange her. Damals sah man nur selten Dirndl und Lederhosen auf dem Wasen. Bis in die 1990er Jahren war es auf dem Volksfest den Kellnerinnen vorbehalten, Tracht zu tragen. „Mein Vater Walter Weitmann hat uns Kinder und das gesamte Personal damit eingekleidet“, erinnert sich Conny Weitmann, die Tochter des Schaustellerurgesteins. Die Frauen im Dirndl mussten heftig anpacken. Im Weitmann-Zelt lag der Rekord bei „14 Krügen gleichzeitig“.

Der Vogeljakob ist unvergessen

Wie immer vor einem Wasen-Bierspektakel wird auch jetzt im Internetforum unseres Stuttgart-Albums hitzig über saisonale Kleidung diskutiert. „Gegen eine württembergische Tracht ist nichts einzuwenden“, schreibt etwa Gerhard Pfeiffer, „wer jedoch mit dem 19-Euro-Dirndl vom Discounter mit der Beschriftung ,A Herzl für München‘ oder mit ,Mir san mir‘ auf den Hosenträgern aufkreuzt, macht sich lächerlich.“

An einen zwitschernden Schausteller erinnern sich viele gern – man nannte ihn Vogeljakob. Mit einem feuchten Plättchen auf der Zunge konnte er unzählige Vogelstimmen nachmachen. Über Jahrzehnte war der Mann in Grün mit den Lauten von Amsel, Drossel oder Fink ein Star des Frühlings- und Volksfestes. Bei jeder Vogelhochzeit hätte er den Dolmetscher geben können.