Der Eingang zur unteren Königstraße soll neu gestaltet werden. Die LBBW ruft als Gebäudebesitzerin einen Architektenwettbewerb aus. Wir blicken zurück auf die Historie des Marstalls. In der heutigen 1 a- Lage sah’s nicht immer prachtvoll aus.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Das Wort Marstall hat einen althochdeutschen Ursprung. Es setzt sich zusammen aus Marah oder Mähre (Pferd) und dem Stall. Der Marstall war mal die Bezeichnung für den Pferdestall eines Fürsten, Herzogs oder Königs, als es diese führenden „Berufe“ in Deutschland noch gab. Im Jahr 1803 hat Friedrich I. – da war der spätere König von Württemberg (seit 1806) noch Kurfürst – beschlossen, den Marstall von der Solitude näher an sein Hauptschloss umzusiedeln. Seine Pferde wollte er unweit seines Wohnsitzes haben – nicht unpassend für eine Stadt, die auf den Stutengarten zurückgeht, auf die Pferdezucht in der sumpfigen Talaue.

 

Der frühere Pferdehof wurde 1923 zum Kino

Friedrich I. ließ an der Stelle des ehemaligen Siechenhauses einen Steinbau errichten. Der Marstall war 300 Meter lang und nahm etwa 400 Pferde auf. Was wir heute als Fußgängerzone kennen, war damals die Pferdezone der Residenzstadt. 1810 ließ der Herrscher – nunmehr König – von seinem Hofbaumeister Nikolaus Friedrich von Thouret ein Königstor unweit seines Marstalls errichten, als Abschluss der unteren Königstraße, die seit 1811 diesen Namen trägt. Der Torbogen wurde 1922 abgerissen, weil man ihn als Verkehrshindernis sah, unweit des neu eröffneten Hauptbahnhofs. Nach und nach hatten die Pferde des Königs weichen müssen – und 1918 schließlich der letzte König von Württemberg auch. Von 1922 bis 1924 wurde der Marstall für Ladengeschäfte und ein Hotel umgebaut. Im Innenhof entstanden die Palast-Lichtspiele mit fast 1200 Sitzplätzen.

August Daub, ein in vielen Städten tätiger Filmpionier, hatte das große Kino 1923 im einstigen Pferdestall mit Stummfilmen eröffnet. Rainer Müller schreibt im Facebook-Forum unseres Stuttgart-Albums: „Vor der Bühne lieferte ein Drei-Mann-Orchester die musikalische Untermalung, wie mir meine Mutter erzählte, die anfangs der 1930er als junges Mädchen in den Palast-Lichtspielen zeitweise als Platzanweiserin arbeitete.“ Für die Neugestaltung des Marstall-Geländes wurden nach den Kriegszerstörungen die Palast-Lichtspiele verdrängt. Sie zogen um in den Metropol-Palast an der Bolzstraße, um dort – wie schon die 35 Jahre zuvor — die führende Rolle im Filmleben Stuttgarts zu übernehmen. Einstöckige Provisorien für den Handel entstanden nach dem Krieg. 1960 baute schließlich Hertie auf dem einstigen Pferdehofgelände sein Kaufhaus.

Architektenwettbewerb für das Marstall-Areal ausgeschrieben

Jetzt steht eine weitere Umgestaltung in der langen Geschichte des etwa 19 000 Quadratmeter umfassenden Marstall-Areals bevor. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) will als Eigentümerin der Gebäuden Königstraße 1-3 die exponierte Lage aufwerten. Nicht zuletzt aus Gründen des Brandschutzes sei dies erforderlich. An Abriss und Neubauten ist gedacht. Die Bank hat internationale, nationale und regionale Architekturbüros aufgerufen, bis Ende dieses Jahres beim Realisierungswettbewerb ihre Vorschläge vorzulegen.

Das Entree zur Königstraße zählt zu den sogenannten Filetgrundstücken der Stadt. Die Fraktionen im Stuttgarter Gemeinderat begrüßen überwiegend eine Neugestaltung, wollen aber mitentscheiden, was dort geht und was nicht. Die kulturelle Nutzung für Oper und Philharmonie gehört zu den Optionen, über die im Internet-Forum unseres Geschichtsprojekts eifrig diskutiert wird. Kommentator Werner Schwenn schreibt: „Eine gute Sache ist, wenn bei einem Wettbewerb über die Neugestaltung entschieden wird. Interessant ist, wer in der Entscheider-Kommission sitzt. Grundsätzlich finde ich eine moderne Bebauung sehr sinnvoll. Viel besser ist dies, als kitschige Kopien aus alten Zeiten aus Beton hinzustellen.“

Drei Bücher sind zu unserer Serie erschienen

Helmut Haug findet, dass sich die Neubebauung an die bestehende Architektur orientieren sollte. „Nur etwas luftiger dürfte es sein“, schlägt er vor, „bitte nicht so dicht bebauen.“ An dieser prominenten Lage seien Wohnungen in den oberen Etagen zwar wünschenswert, wie von der LBBW vorgesehen, schreibt Sybille Müller, „aber das können sich ja nur die ganz Superreiche leisten.“

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