Die Eberhardstraße war in den 1970ern Stuttgarts erste Straße mit Peepshow. Dem Strip-Laden trauert niemand nach – aber dem Kaufhaus Schocken sehr wohl. Der Abriss des Mendelsohnbaus im Mai 1960 bewegt bis heute die Gemüter.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - „Sensation aus Amerika“ stand auf dem Schaufenster eines gelb gestrichenen Hauses. Die „Sensation“ kam in Stuttgart auf der Eberhardstraße an, in zentraler City-Lage zwischen Tagblatt-Turm und Kaufhaus Breuninger. In den 1970er Jahren war die Eberhardstraße eine Hosen-Straße, eine Bar-Straße, die erste Straße der Stadt mit Peepshow. Bei Hosen-König oder Hosen-Eck gab’s Umkleidekabinen, gleich daneben weitere, abschließbare Kabinen, in denen die Männer die Tauglichkeit ihrer Jeans-Reißverschlüsse testen konnten.

 

Im Facebook-Forum unseres Stuttgart-Albums sorgen die Fotos von der nach Graf Eberhard im Bart (er lebte von 1445 bis 1496) benannten Straße für heftige Reaktionen. Die einen schwärmen von der „guten alten Zeit“, als man hier noch Parkplätze finden konnte, sie rühmen den „Charme“ dieses Quartiers. Andere halten dagegen. „Wirklich schön war die Häuserzeile damals auch nicht“, findet Kommentatorin Christel Bischoff. Den Unterschied von Vergangenheit und Gegenwart beschreibt Michael Horlacher so: „Heute ist die Eberhardstraße gesäumt von Bäumen, keine Durchfahrtsstraße wie damals. Es gibt attraktive Läden, Cafés und Bistros, damals gab’s jede Menge schrille Nachtclubs und Puffs.“

1983 sind Peep-Shows verboten worden

Sobald jemand eine Mark in den Kabinen der Peepshow einwarf, öffneten sich Sehschlitze für eine Minute. Man blickte auf eine Drehscheibe, auf der sich nackte Tänzerinnen, oft Sekretärinnen oder Hausfrauen, rekelten. Tobi Marcoby erinnert sich an einen Abend vorm 1. Mai: „Da haben Frauen Stinkbomben geworfen – und alle Männer sind auf die Straße gerannt.“ Die Würde der Frau blieb auf der Strecke, urteilten die Richter im Jahr 1983. In den Guckkästen, die nach dem Verbot noch eine gewisse Zeit weitermachen durften, mag es düster gewesen sein, doch draußen war, schreibt Uwe Kienle, die Eberhardstraße damals heller als heute: „Seit das Schwabenzentrum steht, gibt’s dort viel Schatten.“ Es hätte schlimmer kommen können. Als es Ende der 1970er darum ging, eines der wichtigsten Sanierungsgebiete in der City zu planen, schlugen Architekten bis zu 15 Stockwerke vor – dort, wo zuvor ein städtebauliches Durcheinander als „Vereinigte Hüttenwerke“ Geschichte gemacht hatte.

Der große Wurf, den etliche User unseres Geschichtsprojekts beim Schwabenzentrum vermissen, ist weiter oben auf der Eberhardstraße gelungen. „Stuttgart empor!“ – so lautete die Überschrift des „Neuen Tagblatts“ im November 1928 bei der Eröffnung seines Neubaus. Architekt Ernst Otto Oßwald erklärte seinen Tagblatt-Turm so: „Das ist kein Kirchturm früherer Zeiten mehr, der sich in Himmelbläue verliert, auch kein Aussichts- und Festungsturm, sondern ein erdverbundenes Haus, menschlicher Arbeit und menschlichem Wollen gewidmet, ein sieghaftes Zeichen unserer kämpfenden Zeit.“

Der Schocken-Abriss gilt als Synoym für verfehlte Stadtpolitiks

Der Kampf um das Kaufhaus Schocken, das ebenfalls 1928 an der Eberhardstraße eröffnet worden ist, ging hingegen verloren. Im Mai 1960 ist das markante Gebäude abgerissen worden. OB Arnulf Klett wollte die Eberhardstraße für Autos verbreitern – der Mendelsohnbau stand im Weg. Der Denkmalschutz schien den meisten Gemeinderäten egal. „Ein Akt des Vandalismus“, erzürnte sich das Museum of Modern Art in New York. Das Ende des Schocken gilt seitdem als Synonym für verfehlte Stadtpolitik.

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