Spargel ist gesund und lecker, das Stechen des Gemüses ist jedoch ein Knochenjob. Unser Volontär Sebastian Gall war einen Tag als „Erntehelfer“ tätig.

Fellbach - Die Morgenröte bricht durch die Wolken, als wir mit einem Transporter zum Schmidener Feld fahren. Die Sitze sind mit Plastikfolie bedeckt und der Boden des Wagens ist voll mit getrockneter Erde. Ich merke schnell: Heute wird es schmutzig. Wir sind unterwegs, um auf den Feldern Spargel zu stechen.

 

Zehn Minuten zuvor: Der Chef des Traditionsunternehmens „Früchtle vom Schmidener Feld“, Klaus Bauerle, instruiert sein Team. Etwa 50 Personen haben sich heute zur Ernte auf dem Hof des Gutes versammelt. Die Hälfte davon wird nach Bittenfeld bei Waiblingen gebracht. Es wird kaum deutsch gesprochen. Die Arbeiter kommen vor allem aus Osteuropa. Polen, Rumänien, Kroatien und Ungarn heißen die Herkunftsländer.

Exakte Zeiterfassung

Angekommen auf den Feldern werden erst einmal alle Chips der Arbeiter gescannt, damit wird der Arbeitsbeginn registriert und es kann losgehen. Bestückt mit einem Messer, ein eispickelartiges Werkzeug mit einer Klinge am Ende, um das Gemüse unter der Erde abzuschneiden und rauszuziehen, und einem Metallkorb, um die Stangen zu sammeln, marschieren wir los. Der Spargel versteckt sich auf den Äckern im sogenannten Damm. Das sind auf der ganzen Länge des Feldes aufgeschüttete Erdhügel, durch den sich der Spargel arbeiten muss, um einen kräftigen Stängel zu bekommen. Auf dem Damm liegen bei weißem Spargel zwei Folien. Die untere wird Schwarzweiß-Folie genannt. Sie dient dazu, dass der weiße Spargel kein Sonnenlicht abbekommt, denn sonst würde er zu grünem. Einen halben Meter höher, gestützt durch Metallstreben, liegt die Thermo-Folie. Durch sie entsteht auf dem Damm eine Gewächshausatmosphäre. Spargel hat es gerne warm. Allein die Folien zu entfernen ist ein Kraftakt. Nachdem man eine Spargelreihe gestochen hat, wird der Damm wieder zugedeckt. Nach einem halben Tag schmerzen die Arme.

Hart verdienter Mindestlohn

Der 29-jährige Daniel, der aus der Region Siebenbürgen in Ungarn kommt, zeigt mir, wie man den Spargel aus dem Damm bekommt. Man sticht in den Erdhügel und versucht die Stangen durchzutrennen um sie am Kopf zu fassen und aus der Erde zu heben. Am besten mit einer Länge von mindestens 18 Zentimetern. „Ganz ruhig, ohne Stress und Kraft“, erklärt mir Daniel die richtige Vorgehensweise. Ich malträtiere den Erdhügel mit meiner ganzen Kraft. „Du musst dein inneres Chi finden“, motiviert er mich. Zu Beginn funktioniert es schleppend. Daniel neben mir zieht in der Zeit, in der ich eine Stange aus dem Boden hole, fünf Stangen aus der Erde. Er ist Profi. Seit zehn Jahren kommt er nach Deutschland um Spargel zu stechen und anderes Gemüse zu ernten. Der Job ist knüppelhart. Sechs Tage die Woche, acht bis zehn Stunden pro Tag. „Für das Geld, das ich hier in drei Monaten verdiene, müsste ich in Ungarn ein ganzes Jahr arbeiten.“ Die Arbeiter verdienen den Mindestlohn von 9,19 Euro die Stunde. Im Winter, wenn er nicht in Deutschland arbeitet, ist er Künstler. Er malt Stillleben, Landschaften und Porträts. Er zeigt mir Gemälde auf seinem Handy. Sie sehen aus wie Fotografien, er hat Talent und dies auch schon bei Ausstellungen in Budapest gezeigt.

Prämie möglich

Es ist jetzt 10 Uhr. Pause. Kaffee wird ausgeschenkt und belegte Brötchen werden verteilt. Ich bin froh, mich hinsetzen zu können. Der Rücken schmerzt.

Ist der Korb voll, geht es zu Matej, dem kroatischen Vorarbeiter. Alle nennen ihn nur Matthias. Er kümmert sich fürsorglich, aber bestimmt um seine Mitarbeiter. Die Spargelhöhe der vollen Körbe wird gemessen, in eine Liste eingetragen und wieder über den Chip des Mitarbeiters gescannt. Dadurch errechnet sich ein Schnitt, an dem sich die Arbeiter messen lassen müssen. Wer viel schafft, kann in drei Monaten eine Prämie von bis zu 600 Euro kassieren. Wer zu wenig arbeitet, dem wird eine Woche Zeit gegeben, um sich zu verbessern – wer nicht besser wird, muss gehen. „Erst letzte Woche habe ich zwei Leute heimgeschickt“, sagt Matej.

Der geerntete Spargel wird dann zum Hof der Bauerles gebracht. Dort wird er sofort in Eiswasser gelagert. Danach wird er von einer Maschine automatisch geschält, in die richtigen Kategorien geordnet (diese reichen von Extra über eins bis zwei) und auf eine Länge geschnitten.

Nun ist es 12.15 Uhr. Mittagspause. Für mich heißt das: Feierabend. Der Rücken tut weh und die Arme sind schwer. „Die Arbeit ist schon sehr anstrengend, aber man gewöhnt sich dran“, sagt Daniel. „Du wirst heute Nacht sicherlich gut schlafen“, gibt er mir mit auf den Heimweg. Er hatte recht. Die Arbeit verdient größten Respekt.