In der Alfred-Wais-Halle in Stuttgart-Birkach probt Olli Dermann mit dem Chor Charivari den Jazz. Wenn er am Klavier sitzt, dann wird geklatscht und mit den Fingern geschnipst.

Birkach - Dem Namen nach machen sie Katzenmusik, die Mitglieder des Charivari-Chors in Birkach. Doch von Chaos und Krawall kann bei diesem Chor nicht die Rede sein, der sich einmal in der Woche zu einer intensiven Probe im Vereinszimmer der Alfred-Wais-Halle trifft. Unter Leitung von Olli Dermann wird ein Konzertprogramm vorbereitet, das sowohl klassische Musik als auch Jazz-Standards und Zeitgenössisches umfasst.

 

„Rhythmus ist leicht“

Das musikalische Aufwärmen, das jeder Chor vor der eigentlichen Probe absolvieren muss, dauert bei den Birkachern ein wenig länger. Und anders als bei anderen Chören geht es zunächst einmal nicht um die Stimme, sondern um den Rhythmus. Olli Dermann, seit gut zwei Jahren Leiter von Charivari, lässt die Sängerinnen und Sänger zunächst in die Hände und auf die Oberschenkel klatschen. „Rhythmus ist leicht“ lässt er sie dazu sprechen, während er, am Klavier stehend, schon ein bisschen dazu jazzt.

Zuerst eine Herausforderung

Olli Dermann, Jahrgang 1979 und ein heimisches Gewächs, hat an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart studiert: Schulmusik, Jazz- und Popularmusik und zuletzt Sprechkunst und Kommunikationspädagogik. Seine Kommilitonin Cornelia Prauser war lange Zeit Leiterin von Charivari, und während dieser Zeit gab es diverse gemeinsame Auftritte mit Olli Dermann am Klavier. „Ich bin ursprünglich Pianist und kein Sänger“, sagt Dermann, der allerdings über eine für Chorleiter absolut notwendige schöne Stimme verfügt. Doch die Proben mit ihm verlaufen nicht nach dem Schema anderer Chöre. „Er hat nicht nur den Jazz mitgebracht, sondern auch jüngere Mitglieder angelockt“, erzählt Altistin Bettina Krings: Die Zahl der Aktiven ist von anfangs zwölf auf mittlerweile 24 angewachsen. Evergreens der frühen Jazz-Jahre waren bis dahin durchaus auch schon Bestandteil des Charivari-Programms, doch Olli Dermann, der an einem Böblinger Musikgymnasium unterrichtet, sorgte dafür, dass Körperarbeit und Rhythmusgefühl mehr Bedeutung bekamen. „Das war zuerst eine Herausforderung“, gesteht Bettina Krings. „Aber mittlerweile auch kein Problem mehr“, lobt Olli Dermann.

Junges Repertoire

Wirklich jung sind auch die Mitglieder von Charivari nicht mehr. „Natürlich werden wir älter“, sagt dazu der Vorsitzende Manfred Kinzler, der schon bei der Gründung dabei war, als vor gut 20 Jahren im Sängerkranz Birkach unter dem Leiter Markus Ortelt eine Nachwuchs-Abteilung aufgebaut wurde, „aber unser Repertoire ist jung“.

Charivari geht auf Katzenmusik zurück

Den Namen Charivari hat zum Beispiel Karin Ettelt vorgeschlagen. Die Sopranistin ist eine der Ältesten und trotz des gewandelten Repertoires mit Begeisterung dabei. Der Begriff Charivari, so erläutert sie, verweist nicht nur auf den bayerischen Trachtenschmuck, sondern auch auf eine aus dem französischen Mittelalter stammende Bezeichnung für Katzenmusik. Sie ist gekennzeichnet durch Lärm, Wirrwarr, Krawall. In Frankreich wurde diese Musik Frauen, die sich wieder verheirateten, beim Polterabend dargebracht. Neben obszönen Liedern erklangen dabei Trommeln, Pfeifen oder Topfdeckel.

Instrumentalisten und Sprecherinnen

Diese Tradition greifen die Charivari-Sänger auf, wenn sie bei ihren Konzerten von dem Jazz-Pianisten Michael Stauss, dem Saxofonisten Rainer Buck (der auch als Tenor mitsingt) und der Percussionistin Beate Rödl begleitet werden. „Beate macht aus allem ein Instrument, von der Cahon bis zur Waschbürste ist vieles dabei“, sagt Olli Dermann bewundernd. Gemeinsame Proben gibt es allerdings nur eine, höchstens zwei. Aber wer je bei einem Charivari-Konzert mitgewirkt hat, der gehört zur Familie, und dementsprechend gut ist das Zusammenspiel.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Charivari-Konzerte ist die Mitwirkung von professionellen Sprechern, die Lyrik oder Prosa rezitieren. In diesem Jahr sind neben der ehemaligen Leiterin Conny Prauser als Sprecherinnen Eva Hofmann und Jutta Beck dabei. Die Texte suchen die Sprecherinnen passend zu den Liedern aus. „Das ist überwiegend unterhaltsam und zum Schmunzeln“, beschreibt es Bettina Krings, „aber es gibt auch nachdenkliche Momente.“ Das entspricht dem Selbstverständnis des Chores, der offen sein möchte für vieles, man mag sich nicht auf einen Stil reduzieren lassen.

Spaß dabei

Auf dem Programm des Sommerkonzertes standen daher neben Heulern wie „Can you feel the love tonight?“ auch ein Madrigal aus dem 16. Jahrhundert, „Tage wie diese“ von den Toten Hosen (Text Campino und Birgit Minichmayr) oder Stevie Wonders Hommage an „Sir Duke“ (Duke Ellington). An diesem Probenabend, als die Stimmen aufgewärmt und mit einem Kanon eingesungen sind, probt Dermann zuerst dieses schmissige Stück, das besondere rhythmische Präzision erfordert. Beim wunderschönen Jazz-Standard „How high the moon“ erläutert der Pädagoge dann anschaulich, was in der Musik passiert: „Hier ist der Sopran nicht die Melodiestimme, sondern er liefert die Farbe“, beschreibt er. Beim abschließenden „Doing it a capella“ rät er dem Chor, sich mehr von den Noten zu lösen. „Irgendwann kriegt das `nen Groove, dann ist es ganz wurscht, wie es notiert ist“, macht der Dirigent klar und kommandiert: „Eins, zwei, Spaß dabei ...“