Dem Sportverein Tus in Stuttgart-Degerloch ging es überhaupt nicht gut, als der Verein 1,5 Millionen Euro in die Hand nahm und ein Fitnessstudio eröffnete. Zuvor waren bereits mehrere Projekte gescheitert. Heute steht der Sportverein besser da denn je. Wie kam es dazu?

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Degerloch - Die Geschichte hat einen gewissen Märchencharakter: Vor etwa 25 Jahren ging es dem Turn- und Sportbund Stuttgart (Tus) überhaupt nicht gut. Der Verein litt an rückläufigen Mitgliederzahlen, das vereinseigene Schwimmbad am Königsträßle 37 wurde in seiner Bewirtschaftung immer teurer, und die Stadt musste ordentlich mithelfen, dass der Tus überhaupt überleben konnte.

 

Heute, im Jahr 2018, zählt der Tus rund 5000 Mitglieder und ist der viertgrößte Sportverein in Stuttgart. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Menschen, die im Tus Mitglied werden wollten, kontinuierlich an – und das in einer Zeit, in der alle Vereine einen Strukturwandel erleben, viele Menschen sich nicht mehr langfristigbinden und schnell einen Erfolg sehen wollen. Finanziell geht es dem Verein heute besser denn je. Wie kam es dazu?

Die Indoor-Beachvolleyballhalle brachte auch keinen Erfolg

„Im Jahr 1993 wurde klar, dass wir das Schwimmbad dicht machen müssen“, erinnert sich Klaus Bödiger, der ehemalige Geschäftsführer des Tus. Der Verein entschloss sich, das Wasser gegen Sand einzutauschen, und verwandelte das Gebäude am Königsträßle 37 in eine Indoor-Beachvolleyballanlage. „Es mussten 600 Tonnen Sand reingekippt werden“, sagt Bödiger und schüttelt lachend den Kopf. Doch auch das Beachvolleyballfeld brachte nicht das nötige Kleingeld: „Das Feld wurde vor allem im Winter, abends stundenweise und für Kindergeburtstage vermietet – das hat nicht gereicht.“ Klaus Bödiger weiß noch, wie es Abend für Abend um sein Büro herum völlig dunkel war – die Gäste fehlten.

Der Tus stand vor einem ernsthaften Problem. „Wir haben überlegt, was wir noch machen können, was sich trägt – und das Fitness- und Bewegungsstudio war unsere letzte Idee.“ Mit der Idee, ein Fitnessstudio zu eröffnen, ging der finanziell bereits äußerst knapp aufgestellte Verein ein enormes Risiko ein. Auch die Mitglieder waren nicht alle überzeugt: „Vor allem die Mitglieder aus der Tennis- sowie der Ski- und Wanderabteilung waren schwer dagegen und befürchteten, dass der Tus erneut in ein finanzielles Loch stürzen werde.“ Doch die Mehrheit sprach sich für das Risiko aus. Kalkuliert waren 1,2 Millionen Euro für den Umbau zum Fitnessstudio, am Ende wurden es 1,5 Millionen.

Im Oktober 2002 rücken ein Bagger und mehrere Lastwagen an und schaffen die 600 Tonnen Sand wieder aus der Halle. „Ich war so froh“, erinnert sich Bödiger und muss wieder lachen. Es entstehen eine riesige Trainingsfläche mit Zwischendecke sowie drei Kursräume, die Sauna wird erweitert und modernisiert. Bödiger und seine Kollegen vergleichen Fitnessgeräte, parallel wird Personal gesucht. Schließlich werden von Beginn an 35 Kurse angeboten, es gibt eine Kinderbetreuung, und rund um die Uhr ist ein Trainer vor Ort. Viel Arbeit steckt der Verein außerdem in das Marketing: Teilweise stehen die Menschen Schlange vor der Geschäftsstelle des Tus, um ihren Mitgliedsbeitritt zu unterschreiben.

Mehr als dreimal so viele Mitglieder wie kalkuliert

Bereits am Tag der Eröffnung, am 1. September 2003, hat das Tus Fit 507 Mitglieder. Vor der Eröffnung hatten die Vereinsverantwortlichen langfristig mit 600 Mitgliedern kalkuliert; dann würde sich die Investition rechnen. Gut 14 Jahre später, am 1. Januar 2018, sind es 2069 Menschen, die einen Vertrag abgeschlossen haben. „Obwohl drumherum immer mehr Fitnessstudios eröffnet haben, gehen bei uns die Mitgliederzahlen stetig nach oben. Bereits 2005 waren die Einnahmen höher als die Ausgaben“, sagt Bödiger. „Für den Tus ist das Tus Fit eine Goldgrube.“ Dominik Samol aus dem Vorstand des Tus erklärt sich dies so: „Unser Studio ist hochwertig. Außerdem kam unsere Idee zur richtigen Zeit. Und der Standort ist ideal: Viele Mitglieder von den umliegenden Sportvereinen auf der Waldau haben vom Tus Fit gehört und sind Mitglied geworden.“

Während andere Sportvereine bei nötigen Investitionen oft schnell ins Schlingern geraten, können sich die Verantwortlichen des Tus zurücklehnen. „Bei den meisten Abteilungen des Tus läuft es finanziell am Jahresende auf Null raus – doch mit den Einnahmen aus dem Fitnessstudio können wir nötige Investitionen ohne Probleme bezahlen“, sagt Samol. Auch andere Sportvereine haben erkannt, dass mit einem eigenen Studio Mitglieder gewonnen und die Finanzen aufgebessert werden können: So hat zum Beispiel die Sportvereinigung Feuerbach das Vitadrom eröffnet und der TSV Schmiden den Activity-Club. Nur eine Herausforderung bleibt, selbst wenn die Finanzen stimmen: Es müssen genügend Menschen gefunden werden, die sich Zeit für die Ehrenämter nehmen.