Das Tankstellengeschäft ist womöglich bald kein Selbstläufer mehr. Zu viel ändert sich gerade in Sachen Mobilität. In der Tankstellen-Familie Heck aus Stuttgart-Fasanenhof gibt die Tochter die Linie vor, sie hat sich wissenschaftlich mit der Zukunftsfrage befasst.

Fasanenhof - Es wird. Die Handwerker sind noch schwer beschäftigt und lassen die Bohrer lärmen. Aber seit einer Woche läuft der Betrieb in der Tankstelle auf dem Fasanenhof. „Am Wochenende war großer Umzug“, sagt Isabelle Heck und strahlt. Der Container, mit dem Kunden und Personal monatelang vorliebnehmen mussten, gehört der Vergangenheit an. Der komplett umgestaltete Verkaufsraum ist bezogen. Die Fläche hat sich um etwa ein Drittel vergrößert, ein üppiger Anbau macht es möglich. Entstanden ist ein geräumiges Bistro. Viel Holz, viel Stein, vergrößerte Fenster, skandinavischer Look. Isabelle Heck bietet einen blauen Loungesessel an. „Der ist besonders bequem“, sagt sie, und Stolz schwingt in ihrer Stimme mit. Immerhin: Vieles hier „ist auf meinem Mist gewachsen“.

 

29 Jahre ist sie alt und jetzt ins väterliche Geschäft eingestiegen. Henry Heck (59) ist nicht nur Chef der Tankstelle, sondern leitet auch die Waschstraße, die Werkstatt und die Fahrzeugaufbereitung am großen Kreisel in Fasanenhof-Ost, seinem Bruder gehört das Zweirad-Zentrum nebenan. „Schon der Opa hatte ein Autohaus in Möhringen“, sagt Henry Heck, seit 1981 gibt es den aktuellen Standort. Und jetzt kommt die Tochter und bringt frischen Wind ins Unternehmen. Bevor sie aber den Platz in der Geschäftsführung eingenommen hat, hat sie sich wissenschaftlich mit der Zukunftsfrage auseinandergesetzt. „Wenn, dann richtig“, sagt sie. Isabelle Heck hat ihre Masterarbeit im Fach Unternehmensführung zum Thema „Die Tankstelle der Zukunft“ geschrieben.

Sie hat eine 180-seitige Masterarbeit zum Thema verfasst

Auf 180 Seiten beschäftigt sie sich damit, wie sich das Familiengeschäft breiter aufstellen kann. Denn die Branche steht unter Druck. Was ist, wenn sich die Elektromobilität durchsetzt? Wird sie sich überhaupt durchsetzen können? Schnellladesäulen seien aktuell noch viel zu teuer, sagt Henry Heck, die Infrastruktur sei auch gar nicht da.

Alles ist also im Umbruch, und keiner weiß, was kommt. Nur eines weiß der gelernte Kfz-Mechaniker mit Sicherheit: Der Sprit ist sein Frequenzbringer, und der wackelt. Schon jetzt fallen durch Fahrverbote etliche potenzielle Kunden weg, moniert er.

Deswegen braucht laut Isabelle Heck eine moderne Tankstelle mehr. 200 Kunden hat sie nach ihren Bedürfnissen gefragt, „direkt vor der Tür“. Ergebnis: Sie wünschten sich frische Speisen jenseits von Leberkäs’ und Wienerle, vor allem deutsche und italienische Küche. Auf dem letzten Platz landete demnach US-Food. Das Burger-Konzept, das der Vater ursprünglich im Sinn gehabt hatte, war damit vom Tisch. Stattdessen wurde ein Koch eingestellt, der künftig Pizza aus dem Steinofen in der nagelneuen Küche sowie einen Mittagstisch mit möglichst vielen regionalen Zutaten servieren soll. Das Industriegebiet mit etwa 8000 Mitarbeitern gebe es her, glaubt Henry Heck, „sonst hätte ich nicht investiert“.

Wegkommen vom Image: teuer, dreckig, ungemütlich

Von 700 000 Euro spricht er. Seine Tochter gibt die Marschrichtung vor. „Was wir schaffen müssen, ist von dem Image wegzukommen: teuer, dreckig, nicht gemütlich.“ Um den zweiten großen Kundenwunsch umzusetzen, suchen die Hecks indes noch händeringend nach Personal. Die Tankstelle soll künftig auch an Sonn- und Feiertagen öffnen.

Im Shop und im Bistro hat Isabelle Heck freie Hand. Vieles will sie ausprobieren. So hat sie kalorienärmere Knabbersachen und Bio-Limo in Glasflaschen testweise aufgenommen, folgen wird eine Kühltheke mit Smoothies und Joghurt, „auch was für Frauen. Ich finde nie etwas an Tankstellen“. Als Vegetarierin will sie auf mehr fleischfreie Alternativen achten. Zudem hat sie auf Wunsch einiger Stammkunden Produkte einer italienischen Körperpflegekette eingeführt. Kaffee und Kuchen soll ebenfalls kommen. „Das ist auch für uns neu. Wir machen alles step by step“, sagt Henry Heck. Einen entscheidenden Schritt hat seine Tochter jedenfalls jüngst gemacht. Die Note für die Masterarbeit ist da: eine 1,3. Ihr Vater Henry Heck lacht. „Jetzt kann ich in Rente gehen.“