Nach Freikonzert und Marienplatzfest veranstaltet Tobias Reisenhofer Ende Juli 2015 das zweitägige Stuttgart Festival auf der Landesmesse. Ist er größenwahnsinnig?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Auch wenn man sich auf solche Zusagen bei Facebook nicht verlassen darf: knapp 1000 angekündigte Gäste für ein bislang nicht weiter kommuniziertes Musikfestival Ende Juli 2015 sind schon mal was. „Stuttgart Festival“ heißt das für den 24. und 25. Juli geplante Musikfestival, das unter freiem Himmel auf der Landesmesse stattfinden soll und als „Plattform für alternative Musik, Kunst und Lifestyle“ gedacht ist. Rund 10 000 zahlende Besucher pro Tag sollen auf die Messe strömen, für 45 Euro pro Tag oder 79 Euro insgesamt. Wer das Ticket jetzt schon kauft, erhält einen Frühbucherrabatt – in den ersten zwei Tagen seien 500 Early-Bird-Tickets verkauft worden, melden die Veranstalter.

 

Das Open Air, soviel lässt sich jetzt schon sagen, will sich mit großen mehrtägigen Festivals messen. So etwas hat sich in Stuttgart noch niemand getraut, und das stampft man nicht mal eben so aus dem Boden. Auf die Frage, ob sie größenwahnsinnig sind, antworten die Organisatoren Rebecca Bittner und Tobias Reisenhofer lachend und sprechen von einem „fetten Risiko“ und ergänzen: „Die Angst hält sich sowas von in Grenzen ...“

Die Gründe für die Sorglosigkeit: Festivals liegen im Trend, so etwas gibt es zumindest für die aktuell angesagten Musikrichtungen Indie und Electropop im Großraum Stuttgart bisher nicht, und man wisse ganz genau, wie die Zielgruppe tickt. Die sehen Bittner, 31, und Reisenhofer, 32, im Korridor zwischen 25 und 45 Jahren.

Erst Freikonzert, jetzt Stuttgart Festival

Also ein Festival, auf das sie in erster Linie selbst gehen würden? Rebecca Bittner zeigt auf Tobias Reisenhofer, der sei der Mann fürs Musikalische, und man glaubt es gleich: gemeinsam mit Reiner Bocka vom Café Galao hat Reisenhofer dieses Jahr die vier Freikonzerte auf verschiedenen Stuttgarter Plätzen veranstaltet, zuletzt am Wilhelmsplatz. Auch fürs Marienplatzfest zeichnet er verantwortlich.

Wer auf einer oder mehrerer dieser Veranstaltungen war, weiß auch, wo die Reise beim Stuttgart Festival musikalisch hingeht. Bestätigt sind bisher unter anderem Bonaparte, Claire und The/Das. Die haben allesamt 2014 in Stuttgart gespielt, jeweils in gut gefüllten Clubs. Ist das Stuttgart Festival nur Nutznießer mutiger Konzertveranstalter, die diese Bands teils zum ersten Mal in die Stadt geholt haben? Dass viele der Bands, die auf dem Festival auftreten werden, etwa durch die Agentur Popnotpop präsentiert wurden, ist Reisenhofer „fast ein wenig peinlich“, wie er sagt. Ein Festival sei aber mehr als nur die Summe der 40 einzelnen Konzerte. Es gehe auch ums Event, ums Drumherum.

Ein bisschen Kunst muss sein

Deshalb haben Tobias Reisenhofer und Rebecca Bittner auch Künstler, Designer und andere Kreative eingeladen, sich im Rahmen des Festivals zu präsentieren oder ihre Produkte anzubieten. Auch hierfür gibt es (nicht nur) in Stuttgart Vorbilder, etwa das Urban-Art-Festival „Kunst im Club“, das im Zollamt Urban Art und Feiern zusammengebracht hat.

„Klar ist unser Konzept nicht von einem anderen Stern“, sagt Tobias Reisenhofer. Trotzdem ist es laut dem Festivalmacher das erste Open Air dieser Art in Stuttgart. Vor allem solle alles gut aussehen, perfekt funktionieren und sich leicht alternativ anfühlen. Reisenhofer und die Co-Organisatorin Bittner wissen, wie Livemusik heutzutage funktioniert: als Event. Deshalb kündigen sie gleich weitere „Veranstaltungen mit besonderem Rahmen“ an, nicht nur musikalischer Art.

Hat halt bisher keiner gemacht

In die hiesige Livemusikszene bringt das neue Festival jedenfalls Bewegung. Auch andere Veranstalter könnten so ein Festival stemmen, sagen Reisenhofer und Bittner. Bisher habe es sich eben nur keiner getraut, eins zu organisieren.

Für ihr Festival und künftige Veranstaltungen haben die Organisatoren die Full Moon Live GmbH gegründet, ein Tochterunternehmen der Agenturgruppe Full Moon mit Sitz an der Herzogstraße. Diese beschäftigt dort rund 65 Mitarbeiter und organisiert unter anderem für Hugo Boss die Weihnachtsfeier, sie richtet Events für Lego und Nickelodeon, Porsche- oder das Daimler-Museum aus.

Nur wenig Festivalkonkurrenz rund um Stuttgart

Mit Musikfestivals werden nach Zahlen des Bundesverbands Veranstaltungswirtschaft mehr als 300 Millionen Euro im Jahr umgesetzt. Der Verband hat rund 100 kommerzielle Popfestivals in der Datenbank. Die tatsächliche Zahl ist deutlich höher, da zahlreiche Festivals nichtkommerziell organisiert werden.

Für mehrtägige Popfestivals mit 5000 und mehr Besuchern wie das „Rock’n’Heim“ am Hockenheimring oder das Maifeld Derby in Mannheim muss man ab Stuttgart meist mehr als eine Stunde fahren. Das „Burning Eagle“ in Reutlingen ist mit dem „Stuttgart Festival“ vergleichbar, aber kleiner.

Daneben gibt es eine Reihe von Vereinen organisierte Festivals wie das U&D in Vaihingen, das „Kurt“ in Reutlingen, das Obstwiesenfestival in Ulm oder das Ract-Festival in Tübingen. Das „Peace Me Up“ in Ludwigsburg wird von Schülern organisiert. Diese Veranstaltungen ziehen je bis zu 15 000 Gäste an.