Wer seine Heimat verliert, verliert mehr als Haus, Hof und Garten. Er verliert einen Teil seiner Existenz. Der Politik-Journalist Jörg Armbruster hat im Bezirksrathaus über Syrien gesprochen.

Stuttgart Feuerbach - Anlass für den Auftritt von Jörg Armbruster, dem langjährigen Nahost-Korrespondenten der ARD, war die Eröffnung der Ausstellung „Unsere Heimat Syrien“ im Foyer des Bezirksrathauses. Eine Schau, in der fünf in Feuerbach gestrandete Flüchtlinge, drei Frauen, zwei Männer, in größeren Formaten aufbereitete Erinnerungsfotos präsentieren und dokumentieren, was sie zurückgelassen haben in ihrer alten, geschundenen, verlorenen Heimat: sehr persönliche, anrührende Dokumente eines Lebens in Würde und Freude. Ins Gesicht geschrieben waren dem Quintett denn auch Stolz und Genugtuung darüber, von sich und Syrien endlich einmal „etwas Positives“ zeigen zu können.

 

Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Sich den erfreulichen Dingen des Lebens zuzuwenden, war dann auch das Motto, unter dem die Sängerin Cornelia Lanz und ihre Mitmusiker vom Ensemble Zuflucht die Veranstaltung präludierten. Mit einem arabischen Liebeslied, das sogleich ein bisschen mit dem vollen Saal geübt wurde: „Habibi Ya Nour El Ain“, Mein Schatz, mein Augenlicht... Eine Hommage an das Land „vor dem Krieg“ gelang dann auch der Bezirksvorsteherin Andrea Klöber mit Erinnerungen an eine Syrien-Reise. Und Ulrich Kadelbach sowieso, der die Ausstellung und den Abend initiiert hatte, „den wir zusammen mit unseren syrischen Freunden begehen, unseren neuen Nachbarn, durch die wir schon viel Bereicherung erfahren haben“, wie er betonte. Der Pfarrer im Ruhestand schlug mit einem Zitat dann auch die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart: „Wer wissen will, was Heimat bedeutet, sollte einmal das Wort ‚heimatlos‘ auf sich wirken lassen.“

Ein Gedanke, den Jörg Armbruster direkt aufgriff: „Das Recht auf Heimat ist das wichtigste Menschenrecht“, zitierte er die Philosophin Hannah Arendt und fügte hinzu: „Wer seine Heimat verliert, verliert mehr als Haus, Hof und Garten. Er verliert einen Teil seiner Existenz.“ Umso wichtiger sei es, „Menschen, die zu uns gekommen sind, durch Krieg aus ihrer sozialen Heimat geschleudert, eine neue Heimat zu bieten.“ Der Politik-Journalist erinnerte daran, „dass derzeit weltweit 65 Millionen Menschen auf der Flucht sind vor Krieg, Verfolgung, Armut und Dürre“. Dann machte er deutlich, wohin die vielen Millionen syrischen Flüchtlinge geflohen sind: „In Jordanien ist jeder zehnte Einwohner ein syrischer Flüchtling, im Libanon jeder vierte. Die Türkei hat schon vor dem Flüchtlingsdeal mit der EU drei bis vier Millionen Syrer aufgenommen. Und wir leisten es uns, zu stöhnen, weil 2015 „so viele Flüchtlinge“ zu uns gekommen sind.“ Er erwähnte auch, „dass die USA, Mitverursacher des Krieges in Syrien und hauptverantwortlich für das Entstehen des sogenannten Islamischen Staates, im ersten Jahr von Trump sieben syrische Flüchtlinge aufgenommen haben: sieben.“

Dieser Krieg wird militärisch entschieden

Ob Syrien „einmal wieder Heimat sein kann?“ Schon in seiner Frage lag viel Skepsis. Die hellte sich auch nicht auf, als er flächendeckende Zerstörung skizzierte und die Lage des Landes analysierte: „Ich halte es für einen Schwindel, jetzt wieder von einer Friedenslösung zu sprechen. Dieser Krieg wird militärisch entschieden, weil Assad das will und weil er dank Russland und dem Iran erfolgreich ist.“ Und weil „Iran sich in Syrien festgesetzt hat, wird der nächste Krieg vermutlich zwischen Israel und Iran sein, und er wird sicher auf syrischem Boden ausgetragen“. Ein „düsterer Schluss“ sei dies, räumte er ein – und erfreute sich an dem musikalischen Bogen, den Cornelia Lanz und der Gitarrist Mazen Mohsen dann zum Beginn spannten: Mit einer deutsch-arabischen Version des Brahmschen Schlafliedes „Guten Abend, gute Nacht“, wobei die Beiden im vokalen Sprachtausch eine wunderzarte, interkulturelle Brücke bauten. Nur ein Stein wäre da nicht weich und hell geworden.