Bisher gibt die Landeshauptstadt 28,30 Euro Zuschuss pro Monat. Die Kosten des Deutschlandtickets sollen nun komplett übernommen werden. Die Stadt hofft auf Nachahmer.

Die Landeshauptstadt wird nicht nur die Kosten des neuen Deutschlandtickets (49 Euro pro Monat im bundesweiten Nahverkehr) übernehmen, sondern auch den Empfängerkreis über die eigenen Beschäftigten hinaus weiten. Zudem will der Gemeinderat an diesem Donnerstag die Beschlussvorlage von OB Frank Nopper (CDU) um einen wichtigen Punkt ergänzen: Die für 2024 und danach absehbar höheren Ticketkosten durch die Inflation will die Stadt ebenfalls stemmen. Darauf drängte vor allem das Linksbündnis im Rat, das bei dieser Forderung mit der CDU einen starken Partner erhielt. Nicht ausgeglichen werden soll ein möglicher Rückzug von Bund und Ländern, die das Deutschlandticket mit drei Milliarden Euro finanzieren.

 

Kampf um Arbeitskräfte

Der Vollzuschuss für die von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nun für den 1. Mai angekündigte neue Jahresfahrkarte sei steuerfrei und komme damit „in vollem Umfang bei den Mitarbeitenden der Stadt an“, so Nopper am Mittwoch vor dem Verwaltungsausschuss. Der Zuschuss sei ein Signal für die Stadt als attraktive Arbeitgeberin sowie für die Verkehrswende. Nopper hatte das städtische Null-Euro-Ticket Mitte November überraschend angekündigt. Es soll helfen, neue Mitarbeiter zu gewinnen, aber auch eine Klimaschutzwirkung haben. Bis dato zahlt die Stadt einen pauschalen Zuschuss von 28,30 Euro auf das Firmenabo im Verkehrsverbund Stuttgart (VVS), und zwar für aktuell laut Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer (CDU) 9352 städtische Mitarbeiter. Das belastetet den Haushalt bisher mit prognostizierten 3,7 Millionen Euro pro Jahr. Beim städtischen Klinikum haben 4009 Mitarbeitende das geförderte Jobticket gelöst.

Förderung wird ausgeweitet

Zur finanziellen Ausweitung der Förderung kommt die des Nutzerkreises. Noppers erster Vorschlag von Mitte November 2022 zielte allein auf Beschäftigte in Ämtern und Eigenbetrieben. Dafür musste er Kritik einstecken, denn freie Träger der Kindertagesstätten befürchteten ein unfaires Tackling um zu wenig Personal. Noppers Vorlage wurde Ende 2022 vertagt. Am Mittwoch kündigte der OB an, dass auch das Klinikum und die Beschäftigten der freien Kitaträger profitieren sollen. Letztere erhalten einen 95-Prozent-Zuschuss, konkretisierte Mayer. Nach diesem Schlüssel rechnet die Stadt generell mit ihnen ab. Laut Steuerfachverwaltung geht es um rund 5500 Beschäftigte und maximal 3,1 Millionen Euro zusätzliche Belastung pro Jahr.

Zuschussbedarf stiegt stark

Die Mehraufwendungen für den Haushalt summieren sich samt Klinikum und freien Trägern auf 11,7 Millionen Euro, der Gesamtaufwand stiegt auf bis zu 18 Millionen. Die Stadt steht neben dem Klinikum auch für andere defizitäre Betriebe wie die Stuttgarter Straßenbahnen AG teils indirekt ein. Die zuständigen Organe in den Beteiligungsunternehmen sollen ihren Beschäftigten gleichlautende Angebote unterbreiten, forderten das Linksbündnis und die SPD vor zwei Wochen und nun auch die CDU in Anträgen, die das Gremium unterstützt; die Vorabstimmung zum Null-Euro-Ticket war einstimmig.

Stadt rechnet mit „100 Prozent Nutzung“

Die Forderung fällt wohl auf fruchtbaren Boden. Man wolle sich auch in Zukunft an der Förderung in der Kernverwaltung orientieren, so die Auskunft des städtischen Wohnungsbauers SWSG, wo ein Viertel der 204 Mitarbeitenden bisher die 28,30 Euro pro Monat als Zuschuss erhält. Die Kosten eines Null-Euro-Tickets für alle würden bei rund 10 000 Euro im Monat liegen. Bei der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart rufen 20 Prozent der Belegschaft den bisherigen Zuschuss ab. Bei den Stadtwerken und Stuttgart Netze sind es 55 und 20 Prozent, ein kostenloses Ticket für alle würde diese Betriebe rund 260 000 Euro im Jahr kosten.

Bei den SSB können alle 3300 Beschäftigten mit Bus und Bahn im eigenen Netz bisher kostenfrei fahren. Wer weiter fahre, erhalte einen Preisvorteil von rund 44 Prozent, sagen die SSB auf Anfrage. Die 28,30-Euro-Regelung greift bisher also nicht, ein Null-Euro-Ticket würde die SSB mit 1,95 Millionen Euro im Jahr belasten. In der Summe könnten bis zu 30 000 direkte oder indirekte Mitarbeiter der Stadt profitieren. Er gehe von einer „100-Prozent-Nutzung“ des neuen Angebots aus, so Bürgermeister Mayer.

Fraktionen: Wirtschaft soll mitziehen

In der Debatte lobten alle Fraktionen das Angebot und damit Noppers Vorstoß, viele sehen eine „Vorbildfunktion“ der Stadt, so Petra Rühle (Grüne). Nopper solle damit „auf die Wirtschaft zugehen“. Er wolle das tun, so Nopper, aber „ohne erhobenen Zeigefinger“. Jürgen Sauer (CDU) sieht eine Signalwirkung, Stuttgart sei bundesweit in einer Vorreiterrolle. Wer fünf VVS-Zonen durchquere, spare 1700 Euro im Jahr, bei einer 500. In der Personalnot müsse man „alle Register ziehen“ so Sibel Yüksel (FDP). Jasmin Meergans (SPD) hofft, dass viele Arbeitgeber dem Beispiel folgen. Luigi Pantisano (Linksbündnis) und Rose von Stein (Freie Wähler) wurden deutlicher. Wer bis zu 7300 Euro Boni zahle wie Mercedes, für den seien 49 Euro im Monat „Peanuts“, so von Stein. Frank Ebel (AfD) bezweifelt, dass es Nachahmer geben werde. Christoph Ozasek (Puls) erkennt einen Fortschritt, fordert aber ein „gleichwertiges Modell“ für die Radverkehrsförderung.