Bei der Umgestaltung des Ortskerns entlang der Böblinger Straße geht die Stadt neue Wege. Um zu vermeiden, dass sich Mieter ihre sanierten Wohnungen nicht mehr leisten können, soll es einen Ausgleich mit den Eigentümern geben.

Kaltental - Während sich in Berlin die Koalitionspartner streiten, ist in Kaltental die Welt noch in Ordnung. Dort herrscht im Bezirksbeirat parteiübergreifend wenigstens in einem Punkt Zufriedenheit: Die geplante Ortskernsanierung wird als Meilenstein für die Zukunft des Stadtteils gesehen. Erstmals seit 40 Jahren seien Verbesserungen in Aussicht. Am Dienstagabend haben die Bezirksbeiräte der Festlegung des Sanierungsgebiets zugestimmt. Es umfasst 44 Hektar entlang der Böblinger Straße, die den Stadtteil trennt, und eine Exklave im Norden am Sandäckerwald mit dem sanierungsbedürftigen Bolz- und Spielplatz.

 

Bei dem Projekt kommt Kaltental stuttgartweit eine Pionierrolle zu. „Erstmals wird darauf geachtet, welche sozialen Auswirkungen die Sanierung hat. Ein Ausgleich zwischen Mietern und Eigentümern ist nötig, denn oft wird das, was schöner wird, teurer“, sagte der Bezirksvorsteher Raiko Grieb. In dieser Woche komme der Satzungsbeschluss in den Ausschuss für Umwelt und Technik, am 27. September befinde der Gemeinderat darüber.

Bestimmen, welche Projekte Vorrang haben

Für die gesamte Sanierung sind 16 Millionen Euro veranschlagt. Im Landesförderprogramm sind vor Kurzem zwei Millionen Euro zugesagt worden. Weiteres Geld will man nach Aufstockungsanträgen erhalten, möglichst so lange, bis der volle Betrag erreicht ist. Spätestens am 31. Dezember 2033 muss die Sanierung abgeschlossen sein.

Jetzt gilt es aber, angesichts der Finanzierung in Tranchen, Prioritäten festzulegen, also zu bestimmen, was zuerst in Angriff genommen werden soll. Dies geschieht mit Projektgruppen der Bürger. Die Sanierungsziele und die Schwerpunkte sind bereits in der Satzung festgelegt. Dabei geht es unter anderem um die Stärkung der Kaltentaler Identität in der Stadtstruktur und im Ortsbild, um neu gestaltete Plätze und Freiflächen, verbesserte Beleuchtung, vor allem der Fußwege, Gestaltung der Grünanlagen, Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und Sonderwohnformen für Studenten und Senioren, um Modernisierung privater Gebäude unter energetischen Gesichtspunkten, Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs durch die Stärkung der Buslinien als Zubringer zur Stadtbahn, und die Verbesserung des Radwegenetzes. Zentrale Entwicklungsschwerpunkte sind die Böblinger Straße und die Verbindung der beiden durch diese Straße und die Stadtbahn getrennten Ortshälften.

Es wird wohl etwas dauern, bevor Veränderungen eintreten

Dass dabei manches, was wünschenswert erscheint, auf die Zukunft vertagt werden muss, wird durch Fakten vorgegeben, an denen nichts zu ändern ist. Das Paradebeispiel ist das Areal der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) an der Böblinger Straße in Richtung Kaltental. „Dort stelle ich mir sozialen Wohnraum vor, Wohnraum ist das Wichtigste“, sagte Wolf-Dieter Wieland (FDP) und sprach damit vielen im Gremium aus den Herzen. Der Hoffnung auf baldige Veränderungen dort erteilte jedoch Altraut Schiller vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung einen Dämpfer: „Die AWS wird diesen Standort nicht aufgeben, bevor sie endgültig die neuen Standorte bezogen hat. Das Betriebsgelände in Kaltental wird dann aufgegeben, nur in naher Zukunft wird sich eben noch nichts tun.“

Für die Gestaltung der Böblinger Straße gibt es noch Grenzen. „Wir brauchen für fast alle Bereiche ein neues Planungsrecht“, sagte die Expertin der Stadt, die das Gremium berät. Es gebe dort, sagte sie, Frischluftschneisen und Biotope, die berücksichtigt werden müssten. Die Böblinger Straße sei „die trennende Achse in Kaltental“ und sie wünsche sich dafür einen „sehr offenen Wettbewerb“, aus dem „gute Übergänge, die dem Stadtteil etwas bringen“, hervorgehen sollten. Auch durch Kreisverkehre, sagte die Stadtplanerin, erreiche man eine optische Aufwertung. Unter zustimmendem Kichern der Bezirksbeiräte stellte sie das Offensichtliche fest: „Im Moment fährt man halt nicht gerade schön nach Kaltental rein.“

„Nach dem Beschluss des Sanierungsgebiets durch den Gemeinderat am 27. September erfolgt der Eintrag ins Grundbuch“, sagte Raiko Grieb. Danach erfolgten die Beauftragungen des Sanierungsbetreuers und der Stadtteilassistenz. Außerdem arbeite die Verwaltung einen Sozialhilfeplan aus, den man dem Bezirksbeirat möglicherweise noch Ende des Jahres präsentieren könne. Dann gebe es Infoveranstaltungen für die Eigentümer und eine offene Veranstaltung zur Auswahl von Projekten.