Eine Seniorin ist gestürzt und hat sich dabei fünf Zähne abgeschlagen. Der Unfall beschäftigt die Leser. Die Meinungen darüber, ob die Seniorin selbst oder aber die SSB schuld ist, gehen auseinander.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Vor etwa einem Jahr ist Rosemarie Müller am damals neu gestalteten Überweg am Möhringer Bahnhof gestolpert. Sie erlitt Prellungen und schlug sich fünf Zähne ab. Das Implantat, das sie sich von einem Zahnarzt machen ließ, kostete mehr als 12 000 Euro. Diese Summe brauchte ihre Ersparnisse auf, denn von der Krankenkasse gab es nur einen kleinen Zuschuss. Die Seniorin wünscht sich Unterstützung von der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB). Denn vor der Umgestaltung des Bahnhofs sei der Überweg eben gewesen. Für blinde und sehbehinderte Menschen habe es sogenannte Noppensteine zur Orientierung gegeben statt einer etwa drei Zentimeter hohen Stolperkante.

 

Nur Achselzucken geerntet

Der Artikel über den Unfall der alten Dame hat viele Reaktionen nach sich gezogen. „Ich habe die Geschichte über die Seniorin vom Möhringer Bahnhof mit Interesse gelesen – nicht zuletzt deshalb, weil ich an der Stelle auch schon gestolpert bin, da war die Schwelle erst ein paar Tage alt. Ich hab das gegenüber Volker Christiani, dem Chefplaner der SSB, gesagt – aber nur Achselzucken geerntet. Das müsse so sein.“ So schreibt ein Leser in einer Mail an unsere Zeitung.

Eine alte Dame schimpft ebenfalls. Sie sei auf den Rollator angewiesen, habe eine Wirbelsäulenoperation hinter sich und jedes Mal Schwierigkeiten, ihr Gefährt über die Kante zu lupfen. „Es ist ein Krampf“, sagt die Seniorin. An der Haltestelle Salzäcker seien die gleichen Rundboardsteine verbaut wie am Möhringer Bahnhof. Aber dort gebe es keine drei Zentimeter hohe Stolperfalle. „Dort kann ich problemlos mit meinem Rollator drüberfahren“, sagt die Seniorin und ergänzt: „Ich versuche, den Möhringer Bahnhof zu meiden.“

Diskussion bei Facebook

Auch auf der Internetplattform Facebook stehen mittlerweile viele Kommentare. „Ich bin im Oktober 2018 – ohne schlimme Folgen – dort gestürzt. Eine Frau, die mir zu Hilfe kam, erzählte, dass seit dem Umbau immer wieder Leute stürzten. Eine alte Dame aus meiner Nachbarschaft brach sich dort den Arm“, schreibt Dorothee Dieter.

Anke Balint entgegnet: „Die Kante ist doch nur so hoch wie die Bordsteinkante an einer Straßenkreuzung. Der Unfall hätte also auch genauso gut an jeder Bordsteinkante passieren können. Da hätte es dann ja auch keinen Schadenersatz gegeben. Unfälle passieren. Dafür kann man nicht jedes Mal jemanden haftbar machen. Für so was hat man eigentlich auch eine Unfallversicherung.“

Die SSB selbst sieht sich nicht in der Pflicht

Maren Seher findet: „Es ist wirklich tragisch, wenn so was passiert. Vor allem die teuren Kosten. Ich denke trotzdem nicht, dass sie Geld sieht. Dann müsste die Stadt ständig zahlen, wenn irgendwer irgendwo stolpert. Für Blinde mit Stock war der Absatz nötig. Es ist also kein baulicher Fehler.“ Auch sie gehöre schon in den Kreis der Senioren. „Gerade wenn man älter wird, ist Aufmerksamkeit geboten. Da sind Stürze nicht mehr so ohne“, schreibt Seher auf Facebook.

Die SSB hatte in einer schriftlichen Stellungnahme klargestellt, dass die bauliche Ausführung von Überwegen grundsätzlich mit verschiedenen Stellen abgestimmt werde und der DIN-Norm entspreche. „Wenn eine Passantin auf einer solchen Verkehrsfläche stürzt, ist die SSB nur dann haftbar, wenn sie den Sturz verschuldet oder mitverschuldet hat, wenn also die Verkehrsfläche beispielsweise fehlerhaft gestaltet ist oder eine sonstige Verletzung der sogenannten Verkehrssicherungspflicht vorliegt.“ Ansonsten gebe es keine Rechtfertigung oder Grundlage für Zahlungen. „Es mag für Betroffene im Einzelfall sehr hart sein, aber ein Sturz im öffentlichen Raum fällt in die eigene Verantwortung und in das eigene Risiko“, so das Fazit der SSB.

„Füße heben, länger leben“

Andreas Reinhard Hoffmann sieht das ähnlich. Er schreibt auf Facebook: „Da der Bereich neu gestaltet wurde, ist von jedem, vor allem, wenn er ortskundig ist, erhöhte Aufmerksamkeit gefordert. Die SSB trifft, sofern sie die gültigen Regeln beachtet haben, keine Schuld. Füße heben, länger leben.“ Timo Albrecht kommentiert hingegen: „Kann man so machen SSB, ist aber mehr als [...].“ Und dann verwendet er das böse Wort mit „sch“ am Anfang.