Giovanni Maio, Medizinethik-Professor, hat im Hospitalhof den Auftakt zur Reihe „Via Medici“ gemacht.

Wenn Giovanni Maio über das Wesen der Medizin nachdenkt, kommt er zu einem eindeutigen Ergebnis: „Der Arztberuf ist ein Vertrauensberuf. Anders ist er nicht zu verstehen.“ Maio ist Professor für Medizinethik an der Universität Freiburg, außerdem Arzt, Philosoph und Buchautor. Sein Vortrag „Das Vertrauen als Privileg und Verpflichtung“ am Mittwochabend im Hospitalhof hat den Auftakt für die Veranstaltungsreihe „Via Medici“ markiert.

 

Die Reihe ist eine Kooperation zwischen dem Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof und der Evangelischen Akademie Bad Boll. „Wir möchten uns medizinisch-ethischen Fragen widmen“, sagte Dietmar Merz, Studienleiter an der Akademie Bad Boll. Gemeinsam soll über die Herausforderungen der heutigen Zeit nachgedacht werden – nicht zuletzt über die Ökonomisierung des Gesundheitssystems und die daraus resultierenden Folgen für Ärztinnen und Ärzte sowie für Patientinnen und Patienten. Im nächsten Frühjahr sowie im Herbst sind weitere Veranstaltungen geplant.

Weshalb ist das Vertrauen in der Medizin so wichtig?

„Wir leben in einer Zeit, in der man glaubt, man könne Vertrauen durch einen Vertrag ersetzen“, sagte Maio in seinem Vortrag. Doch weshalb ist das Vertrauen in der Medizin so wichtig? Um die Frage zu beantworten, legte Maio Schicht um Schicht den Kern des Begriffs frei. Und mit jedem seiner sieben Punkte erschloss sich den Gästen im gut besuchten Hospitalhof einmal mehr der Bezug des Wortes zur Medizin. Bei der Begegnung zwischen Arzt und Patient, müsse etwas Zwischenmenschliches passieren, damit der Patient sich öffne. „Vertrauen ist nichts Kalkulatorisches, es ist kein Entschluss. Es stellt sich ein, wenn die Indizien fehlen, die ein Misstrauen schaffen“, sagte Maio. Oft gehe es um Kleinigkeiten, etwa „dass man sich in die Augen schaut.“ Dafür brauche die Medizin unterstützende Rahmenbedingungen und Zeit. „Wenn die Begegnung keine war, dann wird der Patient nichts erzählen.“ Ärztinnen und Ärzte müssten nicht nur Fachwissen, sondern auch eine interaktionelle, beziehungsschaffende Kompetenz mitbringen. „Der Patient braucht das Gefühl, dass, egal wie es kommen wird, der Arzt sich seiner annehmen wird“, so Maio.

„Moralische Dissonanzen“

Die Medizin müsse davon abgehalten werden, in moralische Dissonanz zu geraten und entscheiden zu müssen zwischen dem Wohl des Patienten und dem ökonomischen Wohl des Klinikums. Das Problem dabei: Ärztinnen und Ärzte seien heute Diener zweier Herren. „Das Vertrauen in ärztliche Entscheidungen ist lädiert“, so Maio. Doch noch nichts verloren. „Deshalb ist die Beschäftigung mit dem Vertrauen so wichtig.“ Was in Maios Beitrag mitschwingt, ist ein Appell an Gesundheitspolitiker, Fehler zu erkennen und ein System zu schaffen, das eine funktionierende Vertrauensbasis in der Medizin strukturell unterstützt.