Vor allem die Grünen, aber auch die Stadträte im Linksbündnis wollen im Stuttgarter Rathaus strenge Vorgaben für Bauprojekte durchsetzen. Andere Fraktionen und das Hochbauamt warnen vor den Folgen.

Stuttgart - Was jetzt gebaut wird und energetisch nicht hohen Standards genügt, könnte den Klimaschutz auf Jahrzehnte erschweren – und den Kampf gegen das bedrohliche Treibhausklima auf der Erde auch. So denken die Grünen und das Linksbündnis, und daher haben sie nun beantragt, nur noch städtische Gebäude planen zu lassen, die klimaneutral sind, also mitsamt Heizung die Klimagase nicht vermehren. An diesem Freitag wollen sie darüber im Klimaausschuss im Rathaus abstimmen lassen. Doch in einigen Fraktionen gibt es Bedenken, im städtischen Hochbauamt auch. Ganz unrecht hat wohl keine Seite, und so steht das Thema exemplarisch für das Ringen um den Kurs beim Klimaschutz.

 

Man wäre überfordert und würde Zusatzkosten von rund 140 Millionen Euro verursachen, wollte man alle Bauprojekte der Stadt noch auf klimaneutral trimmen, sagt Hochbauamtsleiter Peter Holzer. Insgesamt seien – über alle Grade der Konkretisierung hinweg – gut 250 Projekte mit einem Kostenvolumen von 1,4 Milliarden Euro bekannt. Die hat man in neun planerische Stufen („Leistungsphasen“) unterteilt. Alle Vorhaben klimaneutral zu machen, würde nicht nur rund zehn Prozent mehr Geld erfordern. Im Moment, sagt Holzer, hätte man auch nicht das erforderliche Personal – „und Klimaingenieure stehen nicht auf der Straße“.

Der Technik-Bürgermeister relativiert die Bedeutung

Was im Klimaschutzprogramm an Zusatzmitteln dafür verfügbar wäre, 35 Millionen Euro, reiche nicht einmal zum Nachbessern dessen, was von der Vorplanung in die Entwurfsplanung soll. Da spricht man von rund 40 Projekten mit einem Kostenvolumen von derzeit 250 Millionen Euro. Wollte man alles „klimaneutral“ machen, müsse man an den Gebäudehüllen noch deutlich mehr Energieeinsparung umsetzen, auch den Spitzenlastverbrauch mit regenerativen Energien abdecken, viel mehr Regel- und Messtechnik einsetzen. Holzer: „Wie viele Hausmeister können das dann beaufsichtigen?“ Man stoße an Grenzen. Man betreibe schon heute sehr viel Aufwand und übertreffe die Energieeinsparverordnungen. Weiter hochfahren solle man den Standard „schrittweise“, sagt Holzer. Und Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau (SPD) gibt zu bedenken: Der Energieverbrauch der kommunalen Gebäude betrage gerade mal vier Prozent des Gesamtverbrauches in Stuttgart. Ob man dann wirklich maximal Personal und Geld für klimaneutrale städtische Gebäude ausgeben wolle?

Manchmal sei es tatsächlich klug, nicht immer auf das Etikett „klimaneutral“ zu bestehen, stattdessen Geld dort einzusetzen, wo man pro Euro mehr Kohlendioxid-Vermeidung erreiche, meint auch die CDU. Sie will die Überprüfung auf Klimaneutralität bis einschließlich der vorgeplanten Projekte mittragen. Alle Projekte bis einschließlich Entwurfsplanung zurückzuholen, was rund 70 Vorhaben mit einem Kostenvolumen von 425 Millionen Euro wären, fände sie überzogen. Schon gar nichts hält die CDU davon, alles bis einschließlich der Ausführungsplanung auf den Prüfstand zu holen und noch mehr Aufwand für Umplanung und noch mehr Zeitverzug hinzunehmen. Das würde rund 150 Projekte mit einem Kostenvolumen von 900 Millionen Euro betreffen.

Mehrheit für die Anträge noch nicht gesichert

Und genau dieses Segment der Leistungsphasen 1 bis 5 nehmen die Grünen nun ins Visier. Sie würden damit nur Projekte weiterwinken, deren Bau beschlossen oder ausgeschrieben ist. Den Grünen geht es nur um Neubauten. Mit deren Klimaneutralität solle man kompensieren, dass man sich bei Altbauten in Sachen Klimafreundlichkeit schwer tue. Die Angaben des Hochbauamts seien überhöht, weil auch Altbauobjekte enthalten sind. Wozu das Amt wiederum meint, die Unterscheidung ziehe nicht. Oft habe man es mit Mischprojekten zu tun.

Und nun? Das Bürgerbündnis SÖS innerhalb des Linksbündnisses hat sich jüngst auch schon einmal dafür ausgesprochen, Projekte „mindestens bis Leistungsphase 4“ – nach Abschluss der Entwurfsplanung – zu überprüfen. Dennoch ist offen, ob die Grünen eine Mehrheit bilden können. Die SPD findet nämlich ähnlich wie die CDU, man solle nicht viel „Geld rausballern“, um das letzte Quäntchen Klimafreundlichkeit zu realisieren.

Einig ist man sich immerhin an einem Punkt: dass die Verwaltung mehr Klimafreundlichkeit anstreben will, wo es einfacher ist. Dass man künftig Dachflächen komplett für Fotovoltaik nutzt, nicht nur zur Eigenversorgung mit Strom.