Die Genossenschaftswengerter feiern ihr 100-jähriges Bestehen mit einer Weinproben-Premiere und viel Prominenz. Auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn ließ sich edle Tropfen schmecken.

Rohracker - Klein, steil – und die Gäste der Jubiläumsweinprobe wissen nun auch: fein und oho. Diese Eigenschaften beschreiben die Weingärtnergenossenschaft Rohracker. Mit fünf Hektar Rebfläche noch dazu in den Steillagen ist die Rohracker WG vermutlich die kleinste in Württemberg, aber auch die zweitälteste in Stuttgart.

 

Am Samstagabend feierten die Genossenschaftswengerter ihren 100. Geburtstag – nicht prunkvoll und überkandidelt, sondern wie es sich gehört: gemütlich, „daheim“ in ihrer schmucken Kelter, bei schwäbischem Essen mit der WG-Familie. Gemeinsam mit den vier anderen Weingärtnergenossenschaften in Stuttgart richteten die Rohrackerer eine Weinprobe aus. „Eine tolle Idee und für mich eine absolute Premiere“, meinte Weinkolumnist Holger Gayer. Der Lokalchef der Stuttgarter Zeitungen und Stuttgarter Nachrichten führte mit Interviews unterhaltsam und gekonnt durch den Jubiläumsabend: Zehn unterschiedliche Weine, je zwei von jeder WG, schwäbische Schmankerl aus der Küche von Sonja Lenz, ein Ohrenschmaus durch das Uhlbacher Schlürferchörle und spannende Wein-Gespräche.

Ein tolles Hobby

Den Anfang machten Markus Wegst und Edgar Veith von der WG Rohracker. „Kleine, nicht rebflurbereinigte Anbauflächen in steilen Lagen – wieso tun Sie sich das an?“, wollte Gayer von den beiden Nebenerwerbswengertern wissen. „Weil’s Spaß macht“, antwortete Veith, ohne lange nachdenken zu müssen. Wegst ergänzte: Es sei einfach ein tolles, allumfassendes Hobby in einer einzigartigen Landschaft. „Mit unseren Lagen verdient man nicht viel Geld. Maschinen kommen nicht zum Einsatz. Viel Idealismus und Handarbeit sind angesagt.“ Der Lohn sind die feinen Tropfen, die auch die Weinproben-Gäste im ersten Durchgang im Glas hatten: die Weißwein-Cuvée Blank und das rote Pendant Barrick, eine gelungene Mischung aus Lemberger, Spätburgunder, Syrah und einigen Cabernetweinen, die 24 Monate in einem Barriquefass ruhen durften.

Eine spannende Weinkreation, die auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn fast davon abhielt, sein Grußwort zu halten. „Ich wollte ihn zuerst verkosten“, entschuldigte sich Kuhn, nicht sofort ans Rednerpult gekommen zu sein. Sein Dank galt den engagierten Rohracker Wengertern, „die nicht nur ein tolles Lebensmittel erzeugen, sondern mit ihrer Arbeit auch eine Kulturlandschaft für Stuttgart erhalten.“

Weine aus Bad Cannstatt

Dies gilt auch für die Nachbarn. „Wir bauen in der Pfaffenklinge auch noch in Trockenmauern-Wengert an“, erklärte Jürgen Koch von der WG Hedelfingen. Ihr Müller-Thurgau und ein Trollinger-Rosé-Wein begleiteten den leckeren Linsensalat kulinarisch. Musikalisch begeisterten die elf Sänger des Uhlbacher Schlürferchörles die Zuhörer in der bis auf den letzten Platz besetzten Kelter. Mit schwäbisch-knitzem Schalk besangen sie die „Beine der Dolores“ und die „Juliska von Budapest“. Keinen Toskaner, sondern einen trocken ausgebauten Rivaner sowie einen vorzüglichen Spätburgunder brachte Thorsten Klimek, der Geschäftsführer und Kellermeister des Weinfactums Bad Cannstatt, zur Geburtstagsfeier mit. Die Weine harmonierten bestens mit dem aufgetischten Gaisburger Marsch.

Württemberger Wein unter Wert

Ein bisschen Pfeffer in die Suppe kippte Weinbaupräsident Hermann Hohl. Er wünscht sich mehr Wertschätzung für den württembergischen Wein. Schließlich betrieben die Wengerter auch Landschaftspflege. Oder wie es Michael Warth von der Weinmanufaktur Untertürkheim sagte: „Wer durch unsere Weinberge spaziert, sollte auch Stuttgarter Wein trinken.“ Dass diese Unterstützung die eigenen Sinne verwöhnt, erfuhren die Weinprobengäste im vierten Gang. Zwei Mönch Berthold-Weine wurden ausgeschenkt: Die Weißwein-Cuvée aus Riesling und Kerner sowie die rote Variante aus Lemberger, Spätburgunder und Cabernet-Sorten. „Filigrane, fruchtige Weine in internationaler Qualität“, so Warth. Dazu reichte Sonja Lenz eine schwäbische Spezialität, die weltweit beliebt ist: Maultaschen mit Kartoffelsalat.

Der Abschluss der Jubiläumsgala war süß: Ofenschlupfer aus der Lenzschen Küche und dazu einen Rosé Secco sowie einen aromatischen Gewürztraminer vom Collegium Wirtemberg. Die drei Stunden vergingen wie im Flug. „Wie bei einem gelungenen Geburtstagsfest im Familienkreis“, waren sich die Weinprobengäste auf dem Nachhauseweg einig.