Ein Rentner hat vor dem Landgericht Stuttgart gestanden, zwei kleine Mädchen missbraucht zu haben. Hat er sich auch an einem dritten Kind vergangen?

Stuttgart - Die Anklage des Staatsanwalts fällt knapp aus. In der Zeit zwischen den Sommerferien und den Weihnachtsferien 2019 soll der Angeklagte die zwei damals acht und elf Jahre alten Töchter einer befreundeten Familie sexuell missbraucht haben – mehrmals in der Woche, während die Eltern bei der Arbeit waren. Der Ankläger spricht von allerlei sexuellen Praktiken, bei denen der 67-Jährige zudem Sexspielzeug verwendet haben soll.

 

„Mein Mandant räumt alle Vorwürfe vollumfänglich ein“, sagt der Stuttgarter Strafverteidiger Markus Okolisan. „Ja, das ist so passiert“, ergänzt der Rentner vor der 4. Jugendschutzkammer des Landgerichts. Die Vorsitzende Richterin Cornelie Eßlinger-Graf lässt den Mann wissen, dass sie mit dieser Formulierung nicht zufrieden ist. „Das passiert nicht einfach so, da macht man etwas“, sagt sie.

Der Mann aus dem Stuttgarter Norden war von den lose mit ihm befreundeten Eltern der Mädchen gebeten worden, ab und zu in der Familienwohnung auf die Mädchen aufzupassen. Zuerst sei das ein Freundschaftsdienst gewesen, dann habe er 50 Euro pro Monat bekommen, so der 67-Jährige. Den beiden Kindern habe er laut deren Aussage eingetrichtert, sie dürften nichts verraten, sonst gebe es Ärger. Als Belohnung habe er ihnen Gummibärchen gegeben, die er allerdings auch bei Sexspielen eingesetzt haben soll.

Staatsanwalt bereitet eine zweite Anklage vor

„Die Große hat es selbst gewollt“, sagt der Angeklagte. Die Mädchen hätten sich auch selbst ausgezogen. Und wenn sie geweint oder geschrien hätten, habe er aufgehört. Die Aussagen der Kinder würden sich aber ganz anders anhören, so die Richterin zu dem gebürtigen Freiburger, der selbst in Kinderheimen aufgewachsen ist und sich später als Feuerschlucker, Fakir und Artist im Zirkus sowie als Berufskraftfahrer durchgeschlagen hat. Im Bürgerhospital hat er zuletzt als Arbeiter geschafft.

Eßlinger-Graf konfrontiert den Rentner mit einem weiteren Verdacht. Hat er auch die jüngere Schwester der acht- und elfjährigen Mädchen missbraucht? „Da war nichts“, sagt er.

Der Staatsanwalt macht klar, dass eine zweite Anklage das jüngste Mädchen betreffend schon halb geschrieben sei. Denn es liege ein neues Gutachten vor. Die Forensiker haben auf einem der Sexspielzeuge DNA des jüngsten Kindes sichergestellt. Und es könnte noch schlimmer kommen. Denn man habe auch männliche DNA auf einem der Vibratoren gefunden, so die Richterin. Könnte das DNA des Sohnes seiner Nichte sein, die er regelmäßig besucht? „Überlegen Sie gut, ob es noch etwas zu gestehen gibt“, sagt die Richterin.

Am Ende verurteilt die die Kammer den Rentner zu vier Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Der Staatsanwalt sieht von einer zweiten Anklage wegen mutmaßlichen Missbrauchs der jüngsten Tochter ab. Zwar gibt es die DNA-Spuren der Fünfjährigen an dem Vibrator. Da sich die sexuellen Übergriffe auf die anderen Mädchen aber zum Teil im Bett der Fünfjährigen abgespielt haben sollen, könne auf diese Weise die DNA-Spur an das Sexspielzeug gelangt sein. Also sei die Beweislage für eine Folgeanklage zu wackelig.