Das Stammheimer Rathaus feiert sein 110-jähriges Bestehen mit Festvortrag, Ausstellung und Zeichnertreffen

Stammheim - Das Feuertürmchen, der runde Erker und die charakteristische Treppe: Das Stammheimer Rathaus ist unverkennbar. Am Dienstag wurde der 110. Geburtstag des Gebäudes mit einem Festvortrag und einer ortshistorischen Ausstellung begangen – und einem Treffen der Urban Sketchers Stuttgart, die das altehrwürdige Gebäude in Zeichnungen einfingen, bevor bald der große Umbau ansteht.

 

Es waren wahre Boom-Jahre, die Albrecht Gühring, Marbacher Stadtarchivar und Spross einer alten Stammheimer Familie, in seinem Festvortrag zeichnete: In der Region wurde gegründet, als gäbe es kein Morgen, die Bevölkerungszahlen stiegen stark an und die vormalig landwirtschaftlich geprägten Dörfer im Stuttgarter Einzugsgebiet entwickelten sich rasant. Kein Wunder, dass auch das alte Stammheimer Fachwerk-Rathaus bald zu klein wurde. 1908 war die Einweihung des neuen Rathauses; gefeiert wurde schwäbisch sparsam mit einem „kostenlosen Fest“, nachmittags um 15 Uhr. Wie Gühring jedoch knitz anmerkte: Wer konnte es sich um diese Zeit schon erlauben, der Arbeit fern zu bleiben? Die Teilnehmer zusätzlich zu den geladenen Gästen seien daher überschaubar gewesen.

Urban Sketcher zeichnen das Rathaus

Draußen gingen indessen die Urban Sketcher Stuttgart ans Werk und fingen den Status quo des Gebäudes in ihren Zeichnungen ein, die sie nach dem Vortrag im Sitzungssaal präsentierten. Das sei durchaus eine Herausforderung; „Das Gebäude ist irgendwie schwer zu erfassen“, sagte eine Zeichnerin. Der Heimatforscher Günther Kämpfe hatte es einmal so formuliert: Das Rathaus sei „solide, mauerstark und ein bisschen großspurig“. Soll bedeuten: Mit seinem Erker, dem Glockentürmchen und dem Treppenaufgang sei es auch darauf ausgerichtet, die Bürger zu beeindrucken – besonders natürlich die von auswärts.

Zusammengetragen von Martin Hechinger und Professor Georg Kämmler gibt es im Treppenhaus derzeit eine ortshistorische Ausstellung, die einen Überblick über die vergangenen 110 Jahre im Stammheimer Rathaus gewährt – inklusive einiger Fundstücke und Memorabilia: Wappensiegel aus den frühen Jahren, eine übrig gebliebene Kassette fürs Diktiergerät, Erinnerungen an frühere Jubiläen.

Zeitungsausschnitte berichten zudem vom Rathausaufstand 1996: Damals sollten das Stammheimer und acht weitere Bezirksrathäuser im Zuge von Sparmaßnahmen geschlossen werden: Der Bürgerverein stürmte daraufhin die Bezirksbeiratssitzung und brachte so den Protest auch in den anderen betroffenen Bezirken ins Rollen. Am Ende gab die Stadtverwaltung klein bei und die Bezirksämter blieben erhalten. Was hat es mit der ausgestellten Mäusefalle auf sich? Mäuse habe man über die Jahre immer wieder gehabt, erzählt Bezirksvorsteherin Susanne Korge: Ihr Amtsvorgänger Rainer Böhm habe sogar mal eine am Schwanz erwischt. Als er sie aus dem Fenster werfen wollte, griff jedoch eine Mitarbeiterin ein: Das sei Tierquälerei. Eine andere widersprach. „Das ging ein paar Mal hin und her, dann hat die Maus Böhm in den Finger gebissen und weg war sie.“ Diskussion beendet, Problem nicht gelöst.

Beginn der geplanten Umbauarbeiten ist unklar

Effektiver war möglicherweise die Schädlingsbekämpfung, von der heute hoch betagte Stammheimer noch zu berichten wissen: Für Rattenschwänze oder Krähenfüße, die man im Rathaus abgab, wurde eine Prämie gezahlt.

Die Ausstellung ist bis zu den Umbauarbeiten im Rathaus zu sehen, wobei deren Beginn unklar ist: „Das entscheidet das Denkmalamt”, sagte der einstige Bürgervereinsvorsitzende Martin Hechinger am Dienstag. Das Gebäude wurde gerade zum Baudenkmal erklärt; jetzt müsse geklärt werden, ob zum Beispiel der als Anbau geplante Fahrstuhl so noch umsetzbar ist.

Info Die Ausstellung ist zu den üblichen Rathausöffnungszeiten zu sehen, montags bis freitags jeweils von 8.30 bis 13 Uhr, dienstags zusätzlich von 14 bis 16 Uhr und donnerstags von 14 bis 18 Uhr.