Für den Stadtbezirk Süd ist es eine herbe Enttäuschung, dass das Stadtlücken-Projekt für drei Jahre auf Eis gelegt werden muss. Doch der Platz unter der Brücke erwies sich als bester Treffer bei der Suche nach einem Interimsstandort für die Feuerwehr.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Die Streicher hatten schon das Happy-End intoniert, der Gemeinderat 1,6 Millionen Euro bewilligt. Das zivilgesellschaftliche Idyll unter der Paulinenbrücke war endlich auf gutem Weg; die Saat der Stadtlücken-Initiative war aufgegangen. Plötzlich aber setzt ein Martinshorn der schönen Vision ein jähes Ende. Statt der selbstgezimmerten Oase von Stadtbewohnern für Stadtbewohner wird nämlich die Feuerwehr unter dem Betonbaldachin Einzug halten. Für die Bezirksbeiräte im Süden, die so lange schon über den Österreichischen Platz diskutiert hatten, ist das eine herbe Überraschung.

 

In zehn Minuten muss die Feuerwehr da sein

Da natürlich keiner ernsthaft etwas gegen die Feuerwehr, deren wichtige Arbeit und dafür nötige Ausstattung vorzutragen wusste, entzündete sich die Kritik der Bezirksbeiräte eher am Vorgehen der Verwaltung: „Wieso werden zwei sich widersprechende Projekte am selben Standort geplant?“, wollte Christa Niemeier von den Grünen wissen. Weil auch die Feuerwache 1 schon lange geplant wurde. Das Ergebnis der Standortsuche fiel dann zufällig in die Phase der Haushaltsberatungen im Herbst 2019, bei denen auch die 1,56 Millionen Euro zur Fortführung des Stadtlücken-Projekts unter der Paulinenbrücke bewilligt wurden, erläuterte Anette Müller vom Liegenschaftsamt. Das Stadtplanungsamt habe insgesamt zwölf Standorte untersucht. Das Hauptkriterium: Jeder Punkt im Einzugsbereich muss innerhalb von zehn Minuten erreichbar sein. Wichtig waren ferner die verkehrliche Situation, Grundstücksgröße und Bebaubarkeit.

Die alte Feuerwache wird abgerissen

Das Bauwerk, das die Feuerwehr unter die Brücke stellen will, ist nur als Interimsquartier gedacht. Der bisherige Standort der Feuerwache 1 Süd an der Heusteigstraße in Mitte bleibt erhalten, wird aber erneuert, wie der stellvertretende Leiter der Branddirektion, Markus Heber, ausführte. Die alten Gebäude werden abgerissen, neue errichtet. Voraussichtliches Gesamtvolumen: 33,56 Millionen Euro. Der Baubeginn ist für 2022 terminiert, die Fertigstellung 2025. Aber in der Zwischenzeit brennt es halt auch mal.

Einige Fachabteilungen – Einsatz, Einsatzvorbereitung, Büros – werden übergangsweise in Bad Cannstatt untergebracht. Unter die Paulinenbrücke wird die Feuerwache 1 mit einem Löschzug Quartier beziehen. Zur Tübinger Straße hin ist als „markantes Element“ ein zweigeschossiges „Kopfgebäude“ mit Büro und Wachabteilung geplant, erläuterte Markus Heber. Dahinter grenzen die Fahrzeughalle und ein weiteres, einstöckiges Gebäude mit Aufenthaltsräumen an.

Flexible Bauweise ermöglicht neue Nutzung

„Wir wissen, dass es unter der Brücke andere Pläne gibt“, sagte Anette Müller. Und dem Tonfall nach weiß sie um die Sensibilität des Themas im Süden, der den Raum unter der Brücke extra von Parkplätzen „freigeräumt“ hatte, um verfügbare Fläche zu gewinnen. Man habe rasch zu den Stadtlücken Kontakt aufgenommen, so Müller: „Es war Konsens, dass die neuen Gebäude möglichst offen und flexibel gestaltet werden sollen, damit eine vielfältige Nachnutzung möglich ist. Vielleicht eröffnen sie sogar neue Möglichkeiten.“ Der Entwurf sieht nun eine Art modulare Bauweise vor, bei der sich einzelnen Teile einfach rückbauen lassen. Profitieren würde die Öffentlichkeit auch von den öffentlichen Toiletten, die gebaut würden.

Es blieben Kritikpunkte. Jens Hermann von den Stadtisten äußerte die Sorge, dass bis in fünf Jahren bei den jungen Leuten von den Stadtlücken die Luft raus sein könnte. Jugendrat Bruno Wagenblast befürchtet eine Gefährdung der Radfahrer auf der Tübinger Straße, seine Kollegin Felicitas Straka monierte, dass die Obdachlosenszene nicht berücksichtigt sei. Andere wiesen auf die Lärmbelastung hin. Dass die Bezirksbeiräte dennoch dem Vorprojektbeschluss einstimmig zustimmten – wie bereits tags zuvor der Bezirksbeirat Mitte, ist wohl eine Folge der auf Nachnutzung der Gebäude bedachten Planung. Dass diese weiter „im Fokus“ bleibe, machte das Gremium auch zur Voraussetzung seines Ja-Wortes zum Interimsbau.