S-Süd - In der offenen Kulturwerkstatt in der St. Maria Kirche übersetzen Musiker, Tänzer und Künstler Theorien von Hawking.

S-Süd - In der offenen Kulturwerkstatt in der St. Maria Kirche ist es kühl an diesem Mittwoch, draußen brennt die Sonne an einem der letzten Sommertage. Licht strahlt durch die geöffnete Kirchentür, das Klappern der Skateboards vom Kirchenvorplatz hallt ins Innere der Kulturwerkstatt. Draußen sitzen Antje Jetzky, Ulrich Wedlich, Petra Stransky und Daura Hernández Garcia für eine Vorbesprechung ihrer heutigen Probe. Was geprobt wird, muss allerdings zunächst beschlossen werden. Sie sind nicht immer vollständig bei den Proben.

 

Die Tänzerin Sawako Nunotani sowie die Musikerin Ulrike Stortz gehören ebenfalls zu der Gruppe, die seit Juni die Theorien von Stephen Hawking künstlerisch und improvisatorisch erforscht. Antje Jetzky schlägt vor, es soll heute um die Elementarteilchen gehen.

Erinnerung an Kaugummi

„Black holes ain’t so black“ hieß die erste künstlerische Auseinandersetzung des Ensembles. Das Lustige sei, fügt Antje Jetzky an, dass die Namen nicht von uns kommen, sondern, dass die Physiker sie so nennen. In aller Öffentlichkeit wird bei de

m Projekt, das nach Empfindung der Künstler ausdrücklich weder Anfang noch Ende kennt, die Ideenwelt des im März verstorbenem Physikers Stephen Hawking erforscht. Am 23. Juni mündete dieser öffentliche Prozess, der im Rahm des Partizipationsprojekts St. Maria erfolgte, in einer Premiere mit Musik, Tanz und Bild. Mit der Performance näherten sich die Künstler den schwarzen Löchern an, formten Analogien zum künstlerischen Kosmos. Nun also Elementarteilchen, genauer gesagt Quarks, sollen es diesmal sein. Es gebe Quarks in sechs verschiedenen Geschmacksrichtungen, erklärt Antje Jetzky. „Wie Kaugummi“, wirft Petra Stransky ein. Up, down, charm, strange, top und bottom, beziehungsweise truth und beauty werden die Quarks genannt. Petra Stransky beschwert sich über truth und beauty, das sei kein Gegenüber. Daura Hernández Garcia kontert, die Wahrheit könne doch durchaus sehr hässlich sein. „Wenn wir alles berücksichtigen, ist das zu viel“, sagt Antje Jetzky. Die Quarks sollen im Entfernten als Idee, als Inspiration dienen. Die Recherchearbeit wird im Inneren der Kirche fortgesetzt, die Suche nach Bewegungskonzepten für die Quarks-Familien. Ein Projekt wie die Interpretationen der Theorien Stephen Hawkins passe nicht immer in die Strukturen der Fördertöpfe. Es gehe um einen Prozess, bei dem sich neue Möglichkeiten auftun. „Die Sachen werden nicht abgehakt“, sagt Petra Stransky, und weist damit auf die klassische Struktur aus Proben und Premiere hin. Ihr Konzept sei ein Gesamtpaket, dass sich immer weiter ausdehne. Fast also wie ein schwarzes Loch. Nur dass die Künstler keine Materie verschlucken, sondern probieren, improvisieren und dabei Neues schaffen.

Raumwege vergrößern

Der Naturholzboden im Kircheninnern ist nicht ganz spreiselfrei, trotzdem ziehen es die Tänzerinnen vor, barfuß zu performen. Charme und strange sind die ersten Quarks, die sie interpretieren möchten. Ulrich Wedlich ist mit Gitarre und Stimmgabel beschäftigt, führt, durchkreuzt und verzerrt die Kreationen von Petra Stransky und Daura Hernández Garcia musikalisch. Sie interpretieren charmante Annäherung, körperliche Symmetrie und dynamische Wechsel, der Platz der Kirche wird kaum ausgenutzt. „Könnt ihr Raumwege vergrößern?“, fragt Antje Jetzky. Jetzt bewegen sich die zwei auch um die Säulen und um Ulrich Wedlich. Die nächste Übung wird nach draußen verlegt. Sie wollen den ganzen Platz nutzen. Zur nächsten Vorstellung mit dem Namen „Black holes have no hair“ lädt das Ensemble am 29. September und am 20. Oktober, der Stuttgartnacht, in die Marienkirche ein. Bis dahin müssen in den offenen Proben noch einige Elementarteilchen erforscht werden.