Am Neuen Schloss, an der Staatsoper, an Kneipen und als Armbinden von Promis leuchtet der Regenbogen – nur am Rathaus nicht. OB Frank Nopper (CDU) lehnt die Farbenbotschaft zum EM-Spiel ab, wofür ihn nicht nur CDU-Kreischef Stefan Kaufmann kritisiert.

Stuttgart - Ein Regenbogen gehört uns allen. „Er kommt vom Himmel“, so hat dies Gilbert Baker genannt. 1978 hat er in San Francisco das erste Exemplar einer Regenbogenfahne zusammengenäht. Der Künstler ließ sich seine Idee nie patentieren, sie sollte sein Geschenk an die Gemeinschaft der Schwulen und Lesben sein. Das ursprüngliche Original hatte acht Farben: Pink (Sex), Rot (Leben), Orange (Heilung), Gelb (Sonne), Grün (Natur), Türkis (Magie), Blau (Frieden) und Violett (Geist). Weil pinkfarbener Stoff zu teuer war und Indigo und Türkis zu Königsblau verschmolzen, besteht die Fahne seit 1979 aus sechs Farben. Diese sechs Farben leuchten nun zwar nicht am Münchner Stadion, so doch aber in ganz Deutschland.

 

Auch in Stuttgart wird Flagge gezeigt, an der Staatsoper etwa, am Neuen Schloss, an Kneipen wie dem Palast der Republik, als Armbinden von Promis wie Ballettstar Eric Gauthier und Kammersängerin Helene Schneiderman – nicht aber am Rathaus, weil dies OB Frank Nopper (CDU) ablehnt.

„Dafür sind wir beim CSD umso engagierter“, sagt Nopper

Wer den Regenbogen an einem Rathaus sehen will, muss etwa nach Göppingen und Esslingen fahren. Dort haben die Oberbürgermeister die bunten Fahnen gehisst. „Dafür sind wir beim CSD umso engagierter“, erklärt Stuttgarts OB. Für seine Entscheidung, beim republikweiten Rainbow-Leuchten auszuscheren, ist er von vielen Seiten heftig kritisiert worden – von Cem Özdemir (Grüne), von Lucia Schanbacher (SPD), von Luigi Pantisano (Linke), aber auch vom CDU-Kreischef und MdB Stefan Kaufmann.

„Ohne Wenn und Aber“, stellt Nopper gegenüber unserer Zeitung klar, lehnt er die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten ab – und damit auch das jüngste Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität und Transsexualität in Ungarn. „In dieser Frage sind wir überhaupt nicht auseinander“, sagt er mit Blick auf seinen Münchner OB-Kollegen. Der dortige SPD-Rathauschef Dieter Reiter hat mit dem Versuch, die EM-Arena zum Spiel von Deutschland gegen Ungarn in den Regenbogenfarben zu beleuchten, quer durchs Land viel Lob für seine Geradlinigkeit erfahren.

Kaufmann fordert „zeitlichen Zusammenhang zur EM“

Während selbst in kleinen Nachbarstädten nun die Symbolfarben der Toleranz und Akzeptanz erstrahlen, hat sich OB Nopper dagegen ausgesprochen, das Stuttgarter Rathaus ebenso zu beflaggen oder die Stuttgarter Mercedes-Benz-Arena bunt zu beleuchten. „Es handelt sich um ein Sportereignis“, sagt er, „da wäre es falsch, die Spieler mit einer politischen Botschaft zu empfangen.“ Schließlich könne die ungarische Nationalmannschaft nichts für die Gesetze in ihrer Heimat. Der OB will das Thema aber im Juli beim Empfang des Christopher Street Days (CSD) im Stuttgarter Rathaus zur Sprache bringen und dann eine Protestnote nach Ungarn schicken.

Sein Parteifreund Stefan Kaufmann, der CDU-Kreischef, widerspricht dem OB. „Ich hätte mir ein Zeichen der Stadtverwaltung gewünscht, so wie das auch in anderen Städten der Region möglich ist“, sagt er. Es gehe „um ein Zeichen insbesondere an die Uefa.“ Dies müsse im zeitlichen Zusammenhang zur EM stehen. Seine Rainbow-Initiative wird von etlichen Stuttgarter Promis unterstützt, unter anderem auch von Winzer Thomas Diehl und Denis Keser, dem Veranstalter des Festivals SEMF. „Wir tragen mit Stolz die Rainbow-Kapitänsbinde von Manuel Neuer“, heißt es in der Erklärung, „und fordern eine Abgrenzung gegen Homophobie“.

Kretschmanns Entscheidung ist ein Seitenhieb gegen Nopper

Ministerpräsident Winfried Kretschmann führt in Stuttgart vor, dass Rainbow-Flaggen auch außerhalb des CSD möglich sind – ein Seitenhieb gegen OB Nopper. Am Neuen Schloss ließ er am Mittwoch den Regenbogen hissen. „Ich bedaure die Haltung und die Entscheidung der Uefa außerordentlich“, erklärte der Grünen-Politiker, „ich finde sie unangemessen und aus der Zeit gefallen.“

Bei der Fahnenfabrik Dommer in Feuerbach häufen sich die Anfragen nach der Regenbogenfahne. 200 seien im Lager vorrätig, sagt Geschäftsführerin Sylvia Kroneberg, man habe sich darauf eingestellt, kurzfristig jede Größe liefern zu können. Auch als Autofahne gibt es den Regenbogen, allerdings in der Version als Friedens-Fahne, mit sieben Farben, die anders angeordnet sind.

CSD-Organisator beklagt „Erstarken des Rechtspopulismus“

Doch mit Flagge zeigen alleine ist es nicht getan. Für Detlef Raasch vom CSD Stuttgart, ist das Erstarken des Rechtspopulismus überall in Europa ein Problem. Doch es genüge nicht, mit dem Finger auf Ungarn zu zeigen. Seit dem Auftauchen der AfD spüre man eine zunehmende Homo- und Transphobie. „Wir haben uns früher sicherer gefühlt“, sagt Raasch. Jetzt würden sich Schwule und Lesben überlegen, ob sie sich Händchen haltend in der Öffentlichkeit zeigen. Der CSD-Verein mahnt bei einer Demo vor dem ungarischen Botschaft die Einhaltung von Menschenrechten an.