Im bundesweiten Vergleich gehört Stuttgart zu den Städten, in denen es besonders schwierig ist, bezahlbare Wohnungen zu finden. Woran liegt das - und was kann man dagegen tun?

Stuttgart - Bezahlbare Wohnungen in Stuttgart zu finden, ist nach dem Eindruck vieler Suchender extrem schwierig. Im Mai besetzten Bürger zwei leerstehende Wohnungen in Stuttgart-Heslach, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Die Wohnungen wurden mithilfe der Polizei geräumt. An diesem Donnerstag diskutiert der Gemeinderat über die angespannte Wohnungslage und mögliche Gegenmaßnahmen.

 

Wo liegen die Mietpreise in Stuttgart?

Im Mietspiegel 2017/2018 der Stadt Stuttgart wird die durchschnittliche Miete ohne Betriebskosten vom April 2016 mit 8,95 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche angegeben. Die Zahl bezieht sich auf bestehende Mietverhältnisse. Der Mieterverein Stuttgart hat sich die Angebote für neue Mietverhältnisse auf Immoscout am 20.2.2018 angesehen und mit Angeboten von Ende 2014 verglichen. Ergebnis: Die Mieten stiegen im Innenstadtbereich von durchschnittlich 11,18 Euro auf durchschnittlich 13,94 Euro pro Quadratmeter ohne Betriebskosten. Das Forschungsinstitut F+B sieht Stuttgart nach München auf dem zweiten Platz bei den deutschen Städten mit den höchsten Mieten. Ausgewertet wurden dabei amtliche Mietpreisübersichten.

Warum ist das so?

Stuttgart hat in den vergangenen Jahren stärker an Einwohnern zugenommen, als die Stadt selbst für sich prognostiziert hatte. Eine Studie im Auftrag der Wohnraum-Allianz des Landes kam im Herbst 2017 zu dem Ergebnis, dass sich die „Wohnungsbaulücke“ in Stuttgart und den vier direkten Umlandkreisen Esslingen, Böblingen, Ludwigsburg und Rems-Murr-Kreis bis 2015 auf 28 400 Wohnungen summiert hat. In der Stadt entsteht zwar neuer Wohnraum, aber der reicht bei weitem nicht, um den Bedarf zu decken. 2015 gab es unter dem Strich in Stuttgart ein Plus von 1762 Wohnungen, 2016 von 1906 Wohnungen und 2017 von 2039 Wohnungen. Damit steigen die Preise für die verfügbaren Wohnungen- trotz der Mietpreisbremse, die grundsätzlich auch in Stuttgart gilt.

Wie viele Menschen suchen Wohnungen?

Bei der Stadt sind die besonders dringlichen und teils prekären Fälle erfasst - oft mit langen Wartezeiten. Ende 2017 waren bei dem Amt für Liegenschaften und Wohnen rund 4300 Haushalte vorgemerkt, die Wohnungen suchten und Kriterien wie eine bestimmte Einkommensgrenze erfüllten. Im gesamten vergangenen Jahr hat das Amt aber nur rund 840 Wohnungen an Bürger von dieser Liste vermitteln können.

Wie viele leerstehende Wohnungen gibt es in Stuttgart?

Die Aktivisten beklagten, dass es mehr als 11 000 leerstehende Wohnungen in Stuttgart gebe. Die Stadt bezeichnete die Zahl zuletzt als „überhöht und veraltet“. Sie stamme von 2011 und berücksichtige auch Wohnungen, die nur kurzfristig leer gestanden hätten. Derzeit wird der Leerstand auf etwa 3000 Wohnungen geschätzt.

Was bringt das Zweckentfremdungsverbot?

Seit 2016 gilt in Stuttgart die Satzung gegen Zweckentfremdung. Sie soll sicherstellen, dass Wohnungen nicht länger als sechs Monate unbewohnt bleiben oder gewerblich genutzt werden. Der Stadt zufolge wurden seitdem mehr als 700 Verfahren wegen Fehlnutzung oder Leerstand eingeleitet - davon wurden mehr als 400 abgeschlossen. Aktuell laufen noch rund 300 Verfahren. Kritiker meinen aber, die Maßnahme bringe kaum was, wenn sie nicht konsequent, mit Bußgeld, durchgesetzt werde - und das sei mit nur drei städtischen Mitarbeitern, die sich darum kümmerten, nicht möglich. Bislang wurden nach Angaben der Stadt Bußgeldbescheide in zwei Fällen erlassen.

Was wollen SPD und SÖS-Linke-PluS im Gemeinderat?

Die Stadt besitzt über die eigene Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) rund 18 000 Wohnungen. Nach Ansicht von SPD und SÖS-Linke-PluS sollten die Mieten für sie erst einmal nicht erhöht werden, um einen Beitrag zur Stabilisierung der Mieten insgesamt zu leisten. Zudem soll der Wohnungsbestand in städtischer Hand auf 30 000 angehoben werden. Dazu gibt es schon einen mehrheitlichen Gemeinderatsbeschluss mit den Stimmen von SPD, Grünen, SÖS-Linke-PluS.

Zudem werden Forderungen laut, dass die Bevölkerungszusammensetzung in bestimmten Stadtvierteln per städtischer Satzung geschützt werden soll (Milieuschutz). Bislang gibt es das in Stuttgart nur für ein Gebiet am Nordbahnhof mit rund 3000 Einwohnern. Die SPD will, dass rund 100 000 Menschen in Stuttgart davon profitieren. Mit solchen Satzungen sollen Luxussanierungen, damit verbundene Mietpreissprünge und die Verdrängung der alteingesessenen Mieter verhindert werden.