Die Stadtwerke Stuttgart sollen ihre Mitarbeiterzahl erheblich steigern, der Weg zur Klimaneutralität soll konsequent verfolgt werden.

Die bisher mit rund 100 Mitarbeitern schlank aufgestellten Stadtwerke der Landeshauptstadt (SWS) planen im Zeichen der Energiewende den ganz großen Aufschlag: Bis 2035 sollen voraussichtlich drei Milliarden Euro investiert werden, um 22 Prozent der heutigen Kohlendioxidemissionen im Stadtgebiet einzusparen. Allein in den Wirtschaftsplan bis 2026 soll eine Investitionssumme von rund einer Milliarde Euro geschrieben werden, die Belegschaft bis dahin auf 450 Mitarbeiter wachsen.

 

Neue Strategie

Peter Drausnigg, seit April 2021 Technischer Geschäftsführer der SWS, hat die Strategie nun dem Aufsichtsrat erläutert. Wie unsere Zeitung aus der nicht öffentlichen Sitzung erfuhr, wurde die Notwendigkeit für massive Investitionen anerkannt. Die konkrete Finanzierung bedarf der Klärung. Vor den Sommerferien hatte der Gemeinderat der SWS aus Haushaltsüberschüssen 100 Millionen zusätzliches Eigenkapital gewährt; um die im Papier für den Aufsichtsrat genannten 979 Millionen Euro investieren zu können, müsste das Eigenkapital bis 2026 wohl noch um 250 Millionen aufgestockt werden. Dadurch kann und soll sich das Unternehmen Fremdkapital beschaffen. Das Kontrollgremium will am 16. November in einer Sondersitzung den Kurs abstecken, der Gemeinderat am 15. Dezember entscheiden.

Klimaschutzziel 2035

Die SWS-Spitze ließ sich davon leiten, dass die Stadt sich zur Klimaneutralität Stuttgarts im Jahr 2035 verpflichtet hat und was das Beratungsunternehmen McKinsey dazu für notwendig hält. Als Konsequenz daraus peilen die SWS an, von rund 80 000 Ladepunkten für E-Mobile im Jahr 2035 selbst 14 000 bereitzustellen. Investitionsbedarf: rund 250 Millionen Euro. Unter dem Strich stellt man sich hier wie beim Wärmesektor auf bestenfalls rot-schwarze Zahlen ein – während der Strommarkt gerade lukrative Einnahmen verspricht, selbst wenn man die Kunden fair behandeln will. Die Renditeerwartung liegt laut der Vorlage bei über vier Prozent.

Im Jahr 2035 hält die SWS im Lichte der Klimaziele die Erzeugung von insgesamt 1,7 Terawattstunden Ökostrom pro Jahr aus Photovoltaik und Windkraftanlagen für nötig. Eine Terawattstunde sind eine Milliarde Kilowattstunden (KWh). Stand heute verfügen die SWS über 30 Windenergieanlagen und erzeugen rund 160 Gigawattstunden (eine GWh sind eine Million KWh) Strom. Die SWS würden wohl an die 200 zusätzliche Anlagen benötigen. Allein für die Windkraft werden zwei Milliarden nötig, davon 1,5 Milliarden für Anlagen fernab von Stuttgart.

Anlagen auch weit weg von Stuttgart?

Das erfordert ein Umsteuern. Vor Jahren hatte der Aufsichtsrat unter Drausniggs Vorgänger beschlossen, nicht mehr groß auf Windkraft zu setzen und keine Beteiligungen irgendwo in Deutschland mehr anzustreben. Nun erkennt man, dass die Windkraft von größter Bedeutung ist und ein wenig regionales Engagement nicht ausreicht – dass sich die SWS beispielsweise auch um Flächen in Brandenburg bewerben müssen. Um solche Standorte gibt es allerdings einen heftigen Bieterwettstreit – und im Aufsichtsrat teils auch Vorbehalte. Die Anlagen müssten so nah an die Verbraucher wie möglich, lautet eine Forderung.

Keine großflächigen Wärmenetze

Der Aufwand für die klimaneutrale Erzeugung von Wärme für Gewerbe und Haushalte ist besonders schwer abzuschätzen. Die Potenziale durch Abwärmenutzung aus Abwasserleitungen oder durch Geothermie sowie Wärmepumpen in Wohngebieten und am Neckar müssen noch genauer bestimmt werden. Die SWS sehen sich in der Pflicht, alle Potenziale zu heben, setzen aber besonders auf Abwasserkanäle und Luft-Wärmepumpen. Auf Nachfrage sagte Drausnigg: „Das großflächige Wärmenetz für ganz Stuttgart wird es nicht geben. Leitungsgebundene Netze sind sehr teuer. Es läuft auf Insel- und Quartierlösungen hinaus, auch auf Clusterlösungen mit einigen Wohneinheiten.“ Je nach Verfügbarkeit und Kosten erneuerbarer Wärmequellen werde man sich „zwischen leitungsgebundener und objektbezogener Versorgung entscheiden“.