Solar Decathlon Europe heißt ein Wettbewerb, an dem ein Team der hiesigen Hochschule für Technik teilnimmt. Ihr Thema ist die Nachverdichtung eines bestehenden Gebäudes.

Stuttgart - Meist müssen Architekten und Bauingenieure lange warten, bis sie ihre Ideen umsetzen und Konkretes schaffen dürfen – zumindest so lang, bis der erste Job nach dem Studium winkt. Für eine Gruppe von Studenten der Hochschule für Technik (HFT) in Stuttgart geht der Traum schon früher in Erfüllung. Im Rahmen des internationalen Wettbewerbs Solar Decathlon Europe planen und bauen sie ein Gebäude, das möglichst nachhaltig, energieeffizient und sozialverträglich sein soll.

 

Von Anfang an dabei

Der Wettbewerb findet erst 2021 in Wuppertal statt, aber schon jetzt laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Nach der erfolgreichen Bewerbung gehe es jetzt richtig los, sagt die 21-jährige Luisa Claus, Studentin des Studiengangs Klima-Engineering und Teil des Kernteams von zehn Studierenden, die am Wettbewerb teilnehmen. Sie reizt vor allem eines: „Es ist toll, von Anfang an dabei zu sein. Wir bekommen den ganzen Prozess mit, von der Bewerbung über die Planung bis zum Bau“, so Claus.

Das sieht auch der 25-jährige Lukas Fischer so. Man sei zu 100 Prozent in die Planung eingebunden und stimme sich stets innerhalb des Teams ab. Schon jetzt treffe man sich wöchentlich, „aber eigentlich tauschen wir uns täglich aus“, so Fischer. Bereits vor zehn Jahren hatte ein Team der HFT am Wettkampf teilgenommen und den dritten Platz belegt. Seit damals habe sich aber vieles verändert, sagt Jan Cremers, Dekan der Fakultät Architektur und Gestaltung, zugleich Projektbetreuer.

Hier geht es um Wohnraummangel und Nachverdichtung

„Es geht erstmals um Themen beim Bauen, die uns in Europa wirklich beschäftigen“, sagt er. Was er damit meint: Der Zehnkampf – so die deutsche Bedeutung für Decathlon – hatte früher weniger Bedeutung für die realen Probleme. Im Vordergrund stand noch bis vor wenigen Jahren der Bau eines frei stehenden Einfamilienhauses, Themen wie Wohnraummangel oder Möglichkeiten der Nachverdichtung waren unerheblich. Seit Jahren habe man dafür gekämpft, den Wettbewerb stärker mit der Lebenswirklichkeit zu verknüpfen, so der 48-jährige Hochschullehrer. Das sei nun passiert.

Nachverdichten, Flächen umwandeln, Baulücken schließen – das sind die Zielvorgaben des Solar Decathlon Europe 2021, wobei sich jedes Team auf eine der drei Aufgaben festlegen konnte. Das HFT-Team hat sich für die Nachverdichtung, genauer die Aufstockung eines Gebäudes, entschieden. Konkretes Versuchsobjekt ist der Bau 5 des HFT-Campus in der Schellingstraße, ein typisches Verwaltungsgebäude aus den 1960er Jahren, das noch verschiedene Ausbaumöglichkeiten bietet.

Die Pläne werden überprüft

„Der Wettbewerb besteht nun darin, für das Gebäude ein urbanes Gesamtkonzept inklusive neue Pläne zur Mobilität zu entwickeln“, erklärt Jan Cremers. Der gesamte Plan kann in Wuppertal allerdings nicht gezeigt werden. Dort stellen die Teilnehmer lediglich Ausschnitte daraus vor. Funktionieren müssen diese aber natürlich auch. „Die Einheiten müssen nutzbar sein, auch die Technik dazu“, so Lukas Fischer.

Die Jury überprüfe das, messe zum Beispiel bestimmte Werte wie den Energieverbrauch nach. Der Wettbewerb ist nervenaufreibend. Ob das eigene Projekt erfolgreich ist, findet das Team erst am Schluss heraus. „Bei solchen komplexen Gebäuden weiß man vorher nicht, ob sie funktionieren“, sagt Jan Cremers. Erfolgsdruck gibt es aber keinen, der olympische Gedanke zählt. „Für uns Studenten ist das eine riesige Chance, etwas nicht nur auf dem Papier zu entwerfen, sondern mitzugestalten. So etwas in der Praxis umzusetzen ist großartig, um Erfahrungen zu sammeln“, sagt Lukas Fischer.

Gute Beispiele finden

Der 23-jährige Benjamin Hueber sieht eine große persönliche Chance in der Teilnahme am Solar Decathlon, ist deshalb mit sehr viel Engagement dabei. Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Wohnraummangel und der Klimaveränderung sei das besonders wichtig.

Das findet auch Jan Cremers. Ob Energiehäuser in einem neuen Stil oder Gebäude aus nachwachsenden Rohstoffen, die am Ende zerlegt und recycelt werden können: wichtig sei, dass man Ideen umsetze und sie nicht nur in akademischen Aufsätzen propagiere. „Nichts ist so überzeugend wie ein gutes Beispiel“, so Cremers.