Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

In den letzten Tagen vor der Uraufführung kommt die schlanke, hochgewachsene Frau, die stets schwarze Kleidung zu ihrem hennaroten Pagenkopf kombiniert, kaum zum Luftholen, dann pendelt sie von frühmorgens bis in den späten Abend zwischen Kostümabteilung, Maske und den Werkstätten im Opernhaus und der Probebühne im Nord hin und her. Sie sei dann froh, wenn ihr Freund, ein bekannter Stuttgarter Jazz-Saxofonist, schon gekocht habe, wenn sie spätabends nach Hause komme, wie sie bei einer Tasse grünem Tee in einem Café am Schlossplatz erzählt.

 

Brittens „Tod im Venedig“ ist mit rund 200 Kostümen für Gesangssolisten, Chormitglieder und Tänzer ihre bislang größte Produktion. Über Kostüme und Bühnenbild will sie vorab freilich nicht allzu viel verraten, doch schon das wenige, das sie erzählt, macht neugierig: Die Bühne sei abstrakt gehalten, Venedig selbst überhaupt nicht zu sehen. Also nicht die erwartbaren bröckelnd-morbiden Palastfassaden der Lagunenstadt, stattdessen: „viel Nebel“.

Der Fokus der Inszenierung liege auf dem inneren, geistigen Zustand des Protagonisten Gustav von Aschenbach, eine Figur, die „sich in sich selbst verirrt“, erläutert Katharina Schlipf, diesen „labyrinthartigen Zustand“ habe sie im Bühnenentwurf herausarbeiten wollen. „Der Zuschauer sitzt wie in einer Art Kopfkino von Aschenbach“; Figuren tauchten mit Hilfe der Bühnenmaschinerie auf und wieder ab, Eindrücke reisten an ihm vorbei – „ich arbeite gern mit Räumen, die sich bewegen“, sagt sie. Aschenbach könne Wirklichkeit und Traum immer weniger auseinanderhalten, diese Durchlässigkeit solle sich auch in den Materialien spiegeln. Bei den Kostümen habe sie sich für zeitgenössische Strand-Outfits entschieden. „Den typischen weißen Anzug mit Strohhut für Aschenbach wird es bei uns nicht geben.“

Basteln, zeichnen, mit Stoffen hantieren, Modelle bauen: Überdurchschnittlich kreativ ist Katharina Schlipf schon als Kind. Nicht allzu verwunderlich bei einem Großvater, der Goldschmied war, lieber Bildhauer geworden wäre und fürs Rottweiler Heimatmuseum Modelle anfertigte – Katharina in der Kellerwerkstatt meist an seiner Seite. An der Stuttgarter Kunstakademie studiert sie nach dem Abitur Bühnen- und Kostümbild bei Martin Zehetgruber, Werner Pick und Anna Eiermann; im Rückblick lobt sie die Praxisorientierung, die enge Verquickung mit dem Staatstheater – „der Beruf steht und fällt mit den Kontakten“.

Mit Akribie und Hartnäckigkeit löst sie jedes Problem

In ihrer Diplomarbeit für eine Theaterinszenierung nach „Dantons Tod“ schafft sie Räume ohne Türen und Fenster, setzt Wände in Bewegung – und ihr Publikum auf eine Drehbühne, um so „Dantons Orientierungsverlust physisch spürbar zu machen“. Räume nicht nur abbilden, sondern mit ihnen Emotionen erzeugen, das Material sprechen lassen, Assoziationen verfremden und abstrahieren – so beschreibt sie die Zielsetzung ihrer Arbeit.

In der mit Spannung erwarteten „Tod in Venedig“-Inszenierung kombiniert Volpi die Gattungen Oper und Ballett; es ist nach Glucks „Orpheus und Eurydike“ vor acht Jahren erst das zweite Mal, dass die beiden Sparten in Stuttgart sich an eine Koproduktion wagen. Wenn sich also an diesem Sonntag der Vorhang endlich hebt, geht für die Ausstatterin ein nahezu zweijähriges Projekt zu Ende – so lange dauert es in der Regel von der ersten Lektüre des Textes, den umfangreichen Recherchen in Bibliotheken – „in der Stadtbibliothek kenne ich die Regale schon auswendig“ – bis zur Premiere.

„Der Tod in Venedig“ ist ihre bislang größte Produktion

In den letzten Tagen vor der Uraufführung kommt die schlanke, hochgewachsene Frau, die stets schwarze Kleidung zu ihrem hennaroten Pagenkopf kombiniert, kaum zum Luftholen, dann pendelt sie von frühmorgens bis in den späten Abend zwischen Kostümabteilung, Maske und den Werkstätten im Opernhaus und der Probebühne im Nord hin und her. Sie sei dann froh, wenn ihr Freund, ein bekannter Stuttgarter Jazz-Saxofonist, schon gekocht habe, wenn sie spätabends nach Hause komme, wie sie bei einer Tasse grünem Tee in einem Café am Schlossplatz erzählt.

Brittens „Tod im Venedig“ ist mit rund 200 Kostümen für Gesangssolisten, Chormitglieder und Tänzer ihre bislang größte Produktion. Über Kostüme und Bühnenbild will sie vorab freilich nicht allzu viel verraten, doch schon das wenige, das sie erzählt, macht neugierig: Die Bühne sei abstrakt gehalten, Venedig selbst überhaupt nicht zu sehen. Also nicht die erwartbaren bröckelnd-morbiden Palastfassaden der Lagunenstadt, stattdessen: „viel Nebel“.

Der Fokus der Inszenierung liege auf dem inneren, geistigen Zustand des Protagonisten Gustav von Aschenbach, eine Figur, die „sich in sich selbst verirrt“, erläutert Katharina Schlipf, diesen „labyrinthartigen Zustand“ habe sie im Bühnenentwurf herausarbeiten wollen. „Der Zuschauer sitzt wie in einer Art Kopfkino von Aschenbach“; Figuren tauchten mit Hilfe der Bühnenmaschinerie auf und wieder ab, Eindrücke reisten an ihm vorbei – „ich arbeite gern mit Räumen, die sich bewegen“, sagt sie. Aschenbach könne Wirklichkeit und Traum immer weniger auseinanderhalten, diese Durchlässigkeit solle sich auch in den Materialien spiegeln. Bei den Kostümen habe sie sich für zeitgenössische Strand-Outfits entschieden. „Den typischen weißen Anzug mit Strohhut für Aschenbach wird es bei uns nicht geben.“

Basteln, zeichnen, mit Stoffen hantieren, Modelle bauen: Überdurchschnittlich kreativ ist Katharina Schlipf schon als Kind. Nicht allzu verwunderlich bei einem Großvater, der Goldschmied war, lieber Bildhauer geworden wäre und fürs Rottweiler Heimatmuseum Modelle anfertigte – Katharina in der Kellerwerkstatt meist an seiner Seite. An der Stuttgarter Kunstakademie studiert sie nach dem Abitur Bühnen- und Kostümbild bei Martin Zehetgruber, Werner Pick und Anna Eiermann; im Rückblick lobt sie die Praxisorientierung, die enge Verquickung mit dem Staatstheater – „der Beruf steht und fällt mit den Kontakten“.

Mit Akribie und Hartnäckigkeit löst sie jedes Problem

In ihrer Diplomarbeit für eine Theaterinszenierung nach „Dantons Tod“ schafft sie Räume ohne Türen und Fenster, setzt Wände in Bewegung – und ihr Publikum auf eine Drehbühne, um so „Dantons Orientierungsverlust physisch spürbar zu machen“. Räume nicht nur abbilden, sondern mit ihnen Emotionen erzeugen, das Material sprechen lassen, Assoziationen verfremden und abstrahieren – so beschreibt sie die Zielsetzung ihrer Arbeit.

Die größte Herausforderung besteht dabei manchmal weniger in einer zündenden Idee, dem intellektuellen Überbau, als im praktischen Detail: So mussten etwa die „Krabat“-Säcke zwar wie echte, schwere Mehlsäcke anmuten, gleichzeitig aber so leicht sein, dass die Tänzer sie ohne allzu großen Kraftaufwand bewegen konnten, zudem galt es, die Brandschutzauflagen zu erfüllen. Vorgaben, die die Materialsuche extrem erschwerten, wie Schlipf erzählt. Aber die 34-Jährige forschte solange, bis sie auf spezielle, nicht brennbare Styroporkügelchen als Füllmaterial stieß. Und um die Flügelschwingen für die sich in Raben verwandelnden Tänzer möglichst echt aussehen zu lassen, studierte sie den Flügelaufbau von Raben im Stuttgarter Naturkundemuseum.

Auch der „Tod in Venedig“ hielt einige Herausforderungen für Katharina Schlipf parat. Vor einem dreiviertel Jahr wollte es ihr partout nicht gelingen, Spiegel mit vergoldeten Spiegelflächen aufzutreiben. Inzwischen hat sie das Problem gelöst: mit Hilfe von Schellack. So gibt es eigentlich nichts, was sich nicht mit ihrer ungeheuren Akribie und ihrer Hartnäckigkeit, die ihr grazile Erscheinung Lügen zu strafen scheint, überwinden ließe – vom Bauzaun um das Lido-Hotel einmal abgesehen.