Das Stuttgarter Ballett präsentiert im Theaterhaus die Choreografen aus seiner eigenen Talentschmiede: "Das Gast/Heimspiel".  

Stuttgart - Umschlossen von biegsamen Metallstäben windet Laura O'Malley im Lichtspot den Oberkörper, während das Ensemble regungslos im Halbdunkel verharrt. Aus diesem still-meditativen Bild entspinnt sich ein dynamischer Dialog zwischen der Solistin und der Gruppe, sie wird von einem zum anderen getragen. Wie bei einem Derwisch fliegt der bodenlange Hosenrock, wenn Marijn Rademaker elegante Ballettpirouetten dreht; mit kleinen Hüftkicks wiederum nimmt der Tänzer den Bluesgroove des Kontrabasses auf. In ein subtil spannungsreiches Wechselspiel zwischen abstrakten Bewegungsfolgen und menschlichen Gesten bringt Bridget Breiner vier Tänzerinnen und sechs Tänzer zusammen in ihrer neuen Choreografie "Double Bass Concerto".

 

Die Erste Solistin, die das Stuttgarter Ballett lange Jahre als charismatische Tänzerin und später auch als Choreografin geprägt hat, macht mit dieser wunderbaren, Edgar Meyers Klassik, Jazz und amerikanischen Folk verbindende Musik für Kontrabass und Orchester stimmig aufgreifenden Kreation dem Publikum den Abschied nicht leicht. Breiner geht als Ballettdirektorin nach Gelsenkirchen. Diese Uraufführung bei dem gemischten Abend "Das Gast/Heimspiel", den das Stuttgarter Ballett wegen der Sanierung des Schauspielhauses im Theaterhaus gezeigt hat, ist ihre vorerst letzte Arbeit für die Kompanie.

Wie abstrakte Malerei in Bewegung

Auch Douglas Lee verlässt das Stuttgarter Ballett, um künftig freischaffend zu arbeiten. Seine choreografische Handschrift hat einen nicht unwesentlichen Teil des Repertoireprofils gebildet. Während der Erste Solist als Tänzer mit seinen expressiven Rollengestaltungen beeindruckt, ist er als Choreograf ganz der aus der Form schöpfende Hyperästhet. Das gilt auch für "Miniatures", seine von Alicia Amatriain, Katja Wünsche und Alessandra Tognoloni sowie Evan McKie, Alexander Zaitsev und William Moore formidabel dargebotene neue Kreation, bereits seine zehnte für die Kompanie. Als würde abstrakte Malerei in Bewegung versetzt, positionieren sich die Tänzer im Raum, heben sich in ihren hellgrauen Trikots nur schattenhaft von der weißen Leinwand ab, um sich dann wieder in blitzschnell sich wandelnde artistische Körperskulpturen, Trios, Duette und Soli zu biegen und zu verdrehen.

Die zeitgenössische, repetitive Klaviermusik, Lichtgestaltung und dezent eingesetzte Videoprojektionen unterstreichen diesen puristischen Charakter. Lees Choreografien erschöpfen sich manchmal zu sehr in der reinen Formschönheit. Hier jedoch entwickelt sich aus zeitgenössischer Ballettartistik eine faszinierende Spannung und Dynamik, ein fast sprechender, eine etwaige Bedeutung jedoch geheimnisvoll wahrender Körperausdruck.

Paarbeziehung zwischen Nähe und Distanz

So lässt man auch Douglas Lee mit Wehmut ziehen. Gut, dass der hochtalentierte Demis Volpi dem Stuttgarter Ballett erhalten bleibt. Er steuert zum Programm als deutsche Erstaufführung das so charmante wie ästhetisch interessante, beim renommierten Erik-Bruhn-Preis ausgezeichnete Duett "Little Monsters" bei. Elisa Badenes und Daniel Camargo halten sich in einer artifiziell arrangierten und doch von menschlichen Gesten herrührenden Symbiose der Körper eng umschlungen, dann wieder ist jeder für sich. Aussagekräftig und charmant macht Volpi so zu drei Elvis-Songs eine Paarbeziehung zwischen Nähe und Distanz anschaulich.

Dass Marco Goecke zwar Volpis Vorbild ist, er aber seinen eigenen Stil gefunden hat, wird an dem Abend im direkten Vergleich deutlich: wenn Friedemann Vogel in "Mopey" über die Bühne tänzelt, eines der Soli von Marco Goecke, in denen der Choreograf so einzigartig und frappierend wie es derzeit kein anderer versteht, den Tänzerkörper in ziselierten Motionen und Gesten erzählen lässt.

In Hans van Manens Duett "Two Pieces for Het" wird eine Mann-Frau-Beziehung ausgelotet, was Alicia Amatriain und Marijn Rademaker eindringlich interpretieren. Es werden ob dieses gewissermaßen einzigen modernen Klassikers im rundum gelungenen Programm die Unterschiede zu den ästhetischen Ansätzen einer jüngeren Choreografen-Generation deutlich, genauso jedoch die Quellen, aus denen sie schöpft, um das zeitgenössische abstrakte Ballett erzählen zu lassen.

Aufführungen Samstag und Sonntag, 20 Uhr