Stuttgarts aufgedrehter Dreier Schmutzki veröffentlicht sein zweites Album „Spackos Forever“. Die Releaseparty im und vorm Uni ein feuchtfröhliches Mini-Festival. Angefangen hat alles vor fünf Jahren im Kap Tormentoso. Weil wir schließende Kreise so sehr mögen, sind wir mit der Band an ebendiesem Ort abgestürzt, äh, zusammengekommen.

Stuttgart - Das Kap Tormentoso ist ein ganz besonderer Ort. Natürlich nicht nur, aber aus guten Gründen auch für Schmutzki. Stuttgarts trinkwütiger Neue Deutsche Punkwelle-Dreier verbindet mit dem sympathischen Schuppen an der Hirschstraße eine Menge privater und musikalischer Anekdoten, fast könnte man sagen, er ist für das Trio das, was für Lemmy die Rainbow Bar in Hollywood war. Weniger glamourös und legendär, aber Hollywood würde ja auch gar nicht zu Beat, Dany und Flo passen. Das runtergerockte Kap ist ihr Stammladen, hier fühlen sie sich pudelwohl.

 

 

Im vergangenen Jahr sind sie allerdings recht selten hier gewesen. Festivals, Festivals, Festivals, dazu Tourneen mit WIZO oder den Beatsteaks und seit 2013 ihre sogenannten Zeltplatz-Mob-Konzerte – Schmutzki-Gelage zwischen Freibier und Eskalation auf dem Campinggelände von so ziemlich jedem Festival zwischen Mini Rock und Rock am Ring. Das läuft so gut, dass die findigen drei große Pläne haben. „Derzeit planen wir sogar ein Festival komplett ohne Bühnen. Die ganze Action steigt dann auf dem Zeltplatz und wir spielen“, gewährt Basser Dany Einblick in die Ideenschublade. Das wohlgemerkt nach drei Bier, der Wahrheitsgehalt sei deswegen mal dahingestellt. Die Vorstellung wäre jedoch schön, würde zudem den Headliner-Wahn um die immer gleichen Bands ein wenig ad absurdum führen. „Außerdem ist es auf dem Zeltplatz immer viel cooler als im backstage, wo sich irgendwelche arroganten Deppen in Badelatschen am Buffet bedienen“, ergänzt Flo, der Drummer des Haufens.

 

Ein Song übers Kap ist geplant

 

Am Freitag wird das zweite Schmutzki-Album „Spackos Forever“ bei Four Music/Sony veröffentlicht, das Releasekonzert im ausverkauften Universum war am Donnerstagabend. Das Trio hat derzeit einiges zu lachen, dennoch wird ihnen ein besonders seliges Lächeln der Erinnerung ins Gesicht getrieben, wenn sie an all das denken, was sie im Kap schon so alles abgespielt hat: Das erste Konzert 2011 zum Beispiel, damals gab es 100 Mark dafür. Das ist mittlerweile durchaus mehr geworden, die Typen sind dieselben geblieben: Enge Freunde, bierselig, gern im Kap, Punks eher im Sinne der Grundeinstellung, weniger im Herunterbeten starrer Regeln.

 

„Vor der Veröffentlichung unseres ersten Albums „Bäm“ kamen im Herbst 2013 ziemlich viele Leute von großen Labels hier nach Stuttgart, um uns kennenlernen“, blickt Flo zurück. „Wir haben sie alle ins Kap geschleppt, bestimmt 20 bis 30 Leute!“ Das läuft sonst anders, ganz klar. Dickes Abendessen, Champagner, die beste Seite zeigen. Schmutzki sind da nicht so. Und genau deswegen so verdammt angenehm: Sie sind so, wie sie sind, können wahrscheinlich gar nicht anders. Nee, diese Typen trinken lieber weiter im Kap, und wem das nicht passt, der kann wieder gehen. „Einen Song übers Kap“, so ist sich Dany deswegen sicher, „wird es in naher Zukunft definitiv geben.“

 

Wenn jemand wie Schmutzki also sagt, eine Kneipe wie das Kap ist das „Sinnbild der Stadt“, dann sagt das zumindest jemand, der viel Zeit hatte, darüber nachzudenken. Vor Ort. „Im Prinzip kommen hier alle zusammen, die Bock auf ein Bier haben, egal aus welcher Szene“, konkretisiert Dany diese Aussage noch. „Hier kann man so sein, wie man will.“ Warum Schmutzki nicht eine dieser Bands sind, die nach Berlin abhauen, weil sie dort den großen Durchbruch wittern, müsste klar sein. Sie mögen es, einfach so zu sein, wie sie sind. „Einen Coolness-Zwang wie in Hamburg oder Berlin“, findet Sänger und Namensgeber Beat Schmutz, „gibt es hier nicht.“

 

Wahrlich, weder in Hamburg noch in Berlin käme man auf die Idee, rumpelnden Drei-Akkorde-Rock mit Alternative, Neue Deutsche Welle und Punk-Charme zu vereinen. Dany: „Als Band sind wir hier eher für uns, können in aller Ruhe schreiben und arbeiten. Das ist in Berlin schwieriger, da muss jeder der Krasseste oder der Verrückteste sein.“

 

Texte entstehen nach einer durchzechten Nacht

 

Obwohl sie alle ursprünglich aus der Konstanzer Ecke kommen, sind sie längst Stuttgarter durch und durch. Dazu gehört natürlich auch, die vielen Bauprojekte kritisch zu sehen sowie das Milaneo und den Wasen weitgehend zu meiden. „Obwohl“, meint Beat, „einmal hab ich da auch auf dem Tisch getanzt.“ Viel lieber ist er aber auf der Karlshöhe und genießt den Blick, früher hat er hier auch mal im Biergarten gearbeitet.

 

Inspiration für ihre Songs finden Schmutzki aber nicht nur an Orten wie diesen. „Viele Texte entstehen nach einer durchzechten Nacht im Kap“, weiß Dany zu berichten. „Vieles ergibt sich aber auch aus dem näheren Umfeld.“ In diesem befinden sich laut Bandaussage manche Spezialisten, die in dieser oder jener Form auch für den Albumtitel „Spackos Forever“ verantwortlich sind. Ein „Spacko“ ist in der wilden Welt von Schmutzki nämlich nicht etwa ein Depp, sondern eher eine coole Socke, die sich selbst nicht ernst nimmt und auch mal über die Stränge schlägt. „So wie wir selbst eben auch“, stellt Beat fest.

 

In der Gesamtheit wurde das ein weiteres Mal bei der Release-Show am Donnerstagabend im Universum deutlich. Das Wetter mochte nicht das Beste gewesen sein (wann ist das diesen Sommer auch schon mal der Fall?), der Stimmung war das aber eben mal wieder vollkommen egal. Schmutzki schnallten sich ihr Zeltplatz-Equipment um und lärmten sich umringt von Fans und Freunden durch ein paar rotzige Songs, die Party im vollen Uni war dann wieder mal eine Eskalation, bei der die besondere Nähe zwischen Band und Publikum deutlich wurde.

 

All das – die Selbstironie, die Lockerheit und die angenehme Verpeiltheit – sind ein Pfund, das schwerer wiegt als musikalische Extravaganz. Schmutzki wissen wohl, dass sie auch mit „Spackos Forever“ keine Kritikerpreise einfahren werden. Wenn Tocotronic also das dreifach gehopfte Craft Beer sind, sind Schmutzki die 5,0-Dose. Wovon man mehr trinken kann, wissen wir ja aber alle...