Viele Bäcker haben viele Filialen. Bei Königsbäck konzentriert man sich auf einen einzigen Standort im Stuttgarter Osten. Seit dem Umzug in größere Räume heißt es „bäcktotheroots“ mit transparentem Handwerk.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Selbstverständlich weiß ein jeder Schwabe, wo er seine besten Brezeln bekommt. Was aber vielleicht nicht jeder weiß: dass es die besten Brezeln auch beim Italiener gibt. 2018 ist Königsbäck beim Brezeltest unserer Redaktion mit einem amtlichen Brotprüfer der Bäckerinnung auf Platz eins eingelandet. Aurelio Ingrassia, 62, heißt der Bäckermeister im Stuttgarter Osten.

 

Im Alter von 13 Jahren ist er aus Sizilien gekommen, hat als Einziger der hiesigen Familie immer noch einen italienischen Pass, aber seine Laufbahn war recht schwäbisch: eine Lehre in der Möhringer Bäckerei Schrade, im Jahr 1983 hat er seinen Meister gemacht und war danach 23 Jahre Produktionsleiter, Qualitätsmanager und Ausbilder bei der Bäckerei Treiber. „Als ich mich 2007 selbstständig gemacht habe, hatte Treiber bereits über 20 Filialen“, erzählt Ingrassia. Heute sind es mehr als 30.

Showroom mit gläserner Produktion am neuen Standort

Als Slow-Food-Mitglied und von Bioland vollzertifizierter Betrieb wird bei Königsbäck mit Downsizing der umgekehrte Weg gegangen. „Jeder Laden braucht eine Seele, und das geht nicht bei 70 Läden“, sagt Ingrassia. Aus der zweiten Bäckerei an der Schwarenbergstraße ist inzwischen Fairkost 0711 geworden. Aurelio und sein Sohn Francesco Ingrassia, 31, sind zwar weiterhin Gesellschafter. Backwaren von Königsbäck gibt es dort auch noch, aber der Geschäftsführer Gianmario Strambace hat das Sortiment längst mit Feinkostprodukten erweitert.

Der einzige Standort der Bio-Backmanufaktur selbst ist seit September an der Gablenberger Hauptstraße 77. In den ehemaligen Räumlichkeiten eines türkischen Lebensmittelmarkts gibt es nun einen schicken Showroom mit 60 Sitzplätzen. Im loftartigen Setting kann man zum Loungesound neben und hinter dem Verkaufstresen in die Produktion schauen. Für geplante Sauerteigseminare, vielleicht kombiniert mit Weinproben, lässt sich eine gläserne Schiebetür öffnen.

Von United Colors of Benetton in die Bäckerlehre

„Mit dieser Transparenz wollen wir unsere Produkte greifbarer machen“, sagt Francesco Ingrassia, der inzwischen Geschäftsführer ist und unter dem Königsbäck-Schriftzug außen den Hashtag #bäcktotheroots angebracht hat – die Bäckerei als sozialer Treffpunkt mit echtem Handwerk. Nicht nur daran merkt man, dass der Junior ursprünglich aus dem Marketing kommt und eine Zeit lang in der Deutschlandzentrale von United Colors of Benetton gearbeitet hat. Aber ähnlich wie sein Vater habe er in dem großen Unternehmen „den Bezug zum Produkt verloren“ und deswegen in einer Berliner Showbäckerei eine Ausbildung absolviert, ehe er 2016 nach Stuttgart zurückgekehrt ist.

Expandieren will man bei Königsbäck schon, aber nicht in die Breite – das Sortiment ist auf zwei Dutzend Backwaren reduziert worden –, sondern als Netzwerk. Einige der Produkte sind im Unverpackte-Lebensmittel-Laden Schüttgut sowie im Café-Shop Silberknie erhältlich. Mit der Biometzgerei Grießhaber auf der Alb pflegt man den Austausch Brot gegen Wurst, auch Weine von Jochen Beurer und der KSK Vintage Winery stehen im Regal. Aber was ist nun zwischen anderen und auch italienischen Spezialitäten das Geheimnis der perfekten Brezel? Aurelio Ingrassia sagt, dass er da gar kein Geheimnis drum mache und dies schon anderen Bäckern erklärt habe. Vielen sei dies aber „zu kompliziert und aufwendig“, denn außer „Zeit und Liebe“ liege es am Ruhen des Teigs, den mehrstufigen Fermentationen bei verschiedenen Temperaturen, der Versiegelung des Sauerteiganteils bei 96 Grad … und neben den menschlichen noch an einigen anderen Faktoren. Auch auf das Raumklima am neuen Standort habe sich der Qualitätsfanatiker einstellen müssen. Und natürlich komme es auf gute Zutaten an.

Ein Spitzenpreis in Stuttgart: 95 Cent für die Brezel

Das alles hat seinen Preis: Stolze 95 Cent kostet die Brezel bei Königsbäck, aber allein schon für sein Mehl von der OBEG Hohenlohe, das er noch drei Wochen lang reifen lasse, zahle Ingrassia mehr als das Doppelte wie für solches aus konventionellem Anbau. Vielen Kunden ist es das allerdings auch wert. Während unseres Gesprächs in der Bäckerei wurden 20 bestellte Brezeln abgeholt – von einer Dame aus Esslingen.