Massive Einsatzkräfte sichern am Samstagnachmittag den Stuttgarter Marktplatz. Auch Überwachungsdrohnen sind im Einsatz.

Die Kulisse ist martialisch: Zwei riesige Wasserwerfer der Polizei bildeten am Samstagnachmittag auf dem Stuttgarter Marktplatz einen Sicherheitskorridor zwischen den Teilnehmern einer AfD-Kundgebung und linken Gegendemonstranten. Letztere hatten sich gegen 15 Uhr in großer Zahl an der Nordwestseite des Marktplatzes hinter einer Absperrung in Stellung gebracht, um mit lautstarken Parolen die AfD-Veranstaltung vor dem Rathaus zu übertönen – was zeitweise auch gelang.

 

Mit der Kundgebung unter dem Titel „Wehrt euch gegen: Armut, Not und Kälte“ protestierte die AfD gegen die Energie- und Ukrainepolitik der Bundesregierung. Redner waren unter anderem der AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel sowie der Vorsitzende des AfD-Landesverbands, Markus-Cornel Frohnmaier.*

Passanten verunsichert aufgrund der massiven Polizeipräsenz

Wie Polizeisprecher Thomas Ulmer erklärte, war es Teil des Sicherheitskonzepts, die Gegendemonstranten bis auf den Marktplatz vorzulassen. Insgesamt waren für Samstag fünf Gegendemonstrationen angemeldet. Die größte auf dem Stauffenbergplatz, veranstaltet vom Verdi-Bezirksverband Stuttgart.

„Aus der bisherigen Erfahrung sind wir mit starken Kräften im Einsatz“, erklärte Polizeisprecher Ulmer. Neben den Wasserwerfern seien Überwachungsdrohnen im Einsatz. An der AfD-Kundgebung, die kurz nach 16 Uhr begonnen hatte, beteiligten sich mehrere hundert Rechtssympathisanten. Der Veranstalter hatte 1000 Personen angekündigt.

Viele Passanten zeigten sich am Samstagnachmittag angesichts der massiven Polizeipräsenz und der Wasserwerfer verunsichert: „Das wirkt sehr bedrückend“, sagte ein 34-jähriger Stuttgarter, der einen Einkaufsbummel mit der Freundin unternehmen wollte. Man müsse achtgeben, dass man nicht zwischen die Fronten gerät.

Citymanager Sven Hahn hatte im Vorfeld die Stadt dafür kritisiert, die AfD-Kundgebung auf dem Marktplatz genehmigt zu haben. Das Ordnungsamt hatte in einem Schreiben an den Handel vor der Möglichkeit von Vandalismus gewarnt. „Wenn man damit rechnet, dass es Ausschreitungen, Schäden und Gefahr gibt, dann gehört diese Demo nicht an den belebtesten Ort der Stadt und schon gar nicht an einem für den Handel wichtigsten Samstage“, erklärte Hahn. Die Einschätzung des Ordnungsamts und der Polizei, dass die Gefahrenlage nicht von der AfD-Kundgebung, sondern von den Gegendemonstrationen ausgehe, lässt Hahn nicht gelten: „Das Ergebnis ist dasselbe“, sagte der City-Manager. „Wenn es Gewalt geben und sogar für Menschen gefährlich werden kann, gehört das nicht auf den Marktplatz.“

Auch Martin Benzing vom Einrichtungshaus Merz und Benzing zeigte sich verärgert: „Für den Handel sind die vielen Demonstrationen Gift.“ Der Einzelhändler kritisierte das Ordnungsamt, nicht frühzeitig darüber informiert zu haben, dass es sich bei der Kundgebung um eine AfD-Veranstaltung handeln würde. „Wir hatten schon im vergangenen Jahr drei Samstage, an denen wegen der AfD morgens alle Straßen abgeriegelt waren.“ Auf diese wiederkehrende Belastung, sagt Benzing, hätte man sich berufen können. „Man hätte dann versucht, auf das Ordnungsamt einzuwirken, den Standort der Kundgebung zu verlagern.“ Es sei „ein extrem fieses Bedrohungsgefühl“. Einkaufsstimmung komme in diesem Umfeld nicht auf.

Ordnungsbürgermeister Maier kritisiert AfD

Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Clemens Maier kritisierte nach der Kundgebung seinerseits die AfD: „Wir sind nicht glücklich damit, dass die Partei meint, sich an einem Samstagnachmittag mit knapp 400 Gleichgesinnten ausgerechnet auf dem Marktplatz zusammenfinden zu müssen“, sagte Maier. „Eine Demo im Herzen der Stadt hat großes Störpotential.“ Maier erklärte weiter, dass Marktplätze allerdings nicht nur Umschlagplätze seien, sondern auch Orte zum Austausch von Meinungen. „Demos können nur verboten werden, wenn eine akute und sofortige Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu erwarten ist.“ Der Disput im öffentlichen Raum sei verfassungsrechtlich gedeckt. Es fehle der Stadt deshalb ein rechtlicher Hebel für eine Verlegung.

Insgesamt verliefen Kundgebung und Gegendemonstrationen bis in den frühen Abend friedlich. Nach Ende der AfD-Kundgebung wurde allerdings der Bühnenlastwagen der AfD im Bereich Münz-/Dorotheenstraße von Personen, die dem linken Lager zuzuordnen sind, blockiert. Einsatzkräfte umschlossen 89 Personen und stellten ihre Personalien fest. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen kamen sie wieder auf freien Fuß.

* Anm. d. Red.: In einer früheren Fassung hatten wir vermeldet, dass der Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag, Bernd Gögel, einer der Kundgebungsredner war. Das ist nicht korrekt. Die Gastredner bei der Kundgebung waren die AfD-Bundes- und Landtagsabgeordneten Dirk Spaniel, Rüdiger Klos, Emil Sänze und Markus Frohnmaier. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.