Issam Abdel Karim kam als Kind aus dem Libanon nach Stuttgart. Heute macht er Neuankömmlingen Mut. Dafür wurde er zum Stuttgarter des Jahres gewählt, einem Ehrenamtspreis, gestiftet von der Stuttgarter Versicherungsgruppe und der Stuttgarter Zeitung.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Auf den Boden in seiner Wohnung hat Issam Abdel-Karim zwei Fußabdrücke gemalt. Sie markieren die Perspektive, die man von diesem Punkt aus auf die Welt hat. Sie sagen damit auch, dass es der Blick auf die Menschen und die Geschehnisse ist, der ihre Bedeutung bestimmt. Diese Erkenntnis soll Besuchern den Horizont weiten. Ein Mutmacher, Erzähler und Weltenentwerfer ist der 47-Jährige. Er ist Gastronom bei der Kunstakademie. In der Pasta-Bar sollen Menschen aus den Flüchtlingsunterkünften der Stadt arabisches, afghanisches und afrikanisches Essen kochen.

 

Von einem Projekt zum Nächsten

Karim selbst steht nicht mehr oft in seiner Pizza-Bar, die der Pasta-Bar gegenüber liegt. Zunehmend mehr ist er als Ehrenamtlicher für den Freundeskreis Killesberg unterwegs, wie sich die Flüchtlingshelfer nennen. Oder er steckt bis über beide Ohren und mit einer nicht versiegenden Begeisterung in eigenen Projekten: Filmen, Ausstellungen oder Friedensfahrten, die er mit seinem Lambretta-Roller durch die arabischen Länder macht.

Neulich stand er damit an der Grenze zu Israel. Was er dort wolle, fragten die Grenzer. „Einen Cappuccino in Jerusalem trinken“, antwortete Karim. „Ist das verboten?“ Nein, sei es nicht. Aber morgens hin und abends wieder zurück in den Libanon – das klingt verdächtig für Israelis, wenn der Kaffeetrinker in Beirut geboren ist. Das Gespräch dauerte vier Stunden. Nach zweieinhalb Stunden gab einer der Soldaten Karim einen Tipp, wo es den besten Cappuccino in Jerusalem gibt. Geht doch, man muss nur miteinander reden, ist die Lebensdevise Karims. Mit Bedenken will er sich nicht aufhalten, auch wenn ihn deswegen manche für naiv halten. Begegnungen von Menschen sind für ihn der Schlüssel. Seine Devise: Wenn wir uns heute versöhnen, ist morgen Frieden. Dass das Zusammenleben unterschiedlicher Religionen möglich ist, hat er im Libanon der Vorkriegszeit erlebt.

Heute will das Multitalent den Menschen eine Zukunftsperspektive aufzeigen, die er nicht Flüchtlinge nennen mag, „weil man nach Ende der Flucht kein Flüchtling mehr ist“. Er trennt die Menschen, wenn man sie schon unterschiedlichen Gruppen zuordnen muss, in Neu- und Alt-Bürger. Sie müssen miteinander reden. Wie zwei Zahnräder, so sein Bild, müssten sie miteinander ins Laufen kommen. Dann ändern sich zwangsläufig die Perspektiven der Menschen aufeinander.