Petra Benzing packt an vielen Stellen in Stammheim mit an, vor allem aber für die Flüchtlinge schreibt sie unermüdlich Bettelbriefe und organisiert so vom Shampoo bis zur Nähmaschine alles, was fehlt. Deshalb wurde sie zur Stuttgarterin des Jahres gewählt.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Am Wochenende verschwindet Petra Benzing gerne zusammen mit ihrem Ehemann auf ihr 25 Kilometer entferntes Stückle in den Weinbergen bei Bietigheim und genießt dort die Ruhe. „Wenn ich hier bin, klingelt dauernd das Telefon. Wenn ich vor dem Haus was arbeite, kommen Leute, und wir trinken Kaffee – immer ist jemand da“, sagt sie lachend. In ihre Stadtbezirk Stammheim kennt die 61-jährige zierliche Frau so gut wie jeder. Das liegt nicht nur daran, dass sie hier fünf Kinder groß gezogen hat und schon deshalb viele Kontakte zu anderen Familien hatte, sondern es liegt an ihrer Umtriebigkeit, die ihr immer wieder neue Ämter beschert hat.

 

Petra Benzing ist eine von zehn Stuttgartern des Jahres 2018. Das ist ein Ehrenamtspreis, den die Stuttgarter Versicherung gemeinsam mit der Stuttgarter Zeitung zum fünften Mal ausgelobt haben und der am 1. April 2019 bei einer Benefizgala im Stuttgarter Veranstaltungszentrum Wizemann offiziell verliehen worden ist.

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Gutes tun mit dem Tablet

Als 2015 die vielen Flüchtlinge auch nach Stammheim kamen und sich ein Freundeskreis gründete war Petra Benzing selbstverständlich auch zur Stelle. „Wenn ich mir vorstelle, ich hätte eines Tages meine fünf Kinder nehmen müssen und mit denen nach Syrien flüchten...“. Dieser Gedanke allein war ausreichend für sie. Es gab es nichts zu überlegen und für Petra Benzing war es selbstverständlich: Den Menschen muss geholfen werden. „Ich regele das alles von zuhause aus mit meinem Tablet“, erklärt sie. In der Unterkunft in der Kameralamtsstraße ist sie selten zu sehen. Das liegt daran, dass sie im Grundbuchznetralarchiv in Kornwestehiem arbeitet, nur am Mittwochnachmittag hat sie frei. Den nutzt sie gerne, um bei ihrem 87-jährigen Vater vorbei zu schauen. Dann hat sie noch vier Enkelkinder und „drei Enkelhunde“. Hinzu kommt ihre ehrenamtliche Tätigkeit als stellvertretende Bezirksbeirätin, ihr Engagement im Luise-Schleppe-Heim, einem Altersheim, und die gemeinsamen Aktivitäten mit ihrem Mann in der Kinderabteilung des Motorsportclubs Stammheim.

Süßigkeiten für die Kinder

Für die Flüchtlinge im Stadtteil organisiert sie mit ihrem Tablet alles, was benötigt wird und ist Meisterin beim Formulieren von Bettelbriefen an Firmen und Institutionen. „Die Leute kamen mit einem einzigen Handtuch und einer Zahnbürste“, erinnert sie sich. Sie startete sofort einen Spendenaufruf an die Stammheimer für Bettwäsche und Handtücher – beides wurde zuhauf am Flüchtlingsheim abgeliefert.

Beim Drogeriemarkt schilderte sie den Bedarf an Kosmetika so drastisch, dass der Duschgel, Seife, Shampoo und Cremes spendierte. „So konnten wir jedem Bewohner ein kleines Päckchen überreichen“, berichtet sie. Beim Discounter ließ sie sich ihr Auto mit Süßigkeiten für die Kinder beladen, und ein Möbelhaus hat auf ihre Initiative hin die komplette Einrichtung für ein Spielzimmer für die Kinder in der Unterkunft gespendet. Da musste dann – wie so oft – auch ihr Mann Klaus Benzing mit Hand anlegen und die Möbel aufbauen, „während ich mit Schweißausbrüchen den Transporter zurückgefahren habe“. Und kaum hat sie ein Projekt erfolgreich beendet, kommt schon das nächste.

Neue Nähmaschinen für die Frauen

„Die Flüchtlingsfrauen wollten nähen“, erzählt sie. Die gebrauchten, gespendeten Nähmaschinen quittierten aber schon bald den Dienst. Und Petra Benzing sorgte für Ersatz. Beim Sozialamt stellte sie den Antrag für vier Nähmaschinen, und auch einen kleinen Beitrag für den Kauf für Stoffe steuert die Stadt bei. „Die Frauen wollen Sachen für die Kinder nähen. Da will man doch ein bisschen was Hübsches aussuchen!“ Jetzt wird einmal im Monat zusammen genäht und Deutsch gesprochen. Das ist ein durchaus gewollter Nebeneffekt.

Daneben ist es auch ihr Ziel, Stammheimer und Flüchtlinge zusammenzubringen. Ein großer Flohmarkt vor der Unterkunft – organisiert von wem? Von Petra Benzing natürlich! – brachte die Leute zusammen. „Auch die Flüchtlinge mussten die Dinge kaufen, für kleines Geld. Aber sie sollten nicht den Eindruck haben, dass sie Almosenempfänger sind“.