Das Figurentheater widmet sich der ebenso legendären wie umstrittenen Spielzeugfigur mit den langen Beinen. Wir sprachen mit der Puppenspielerin Coline Petit darüber.

S-Mitte - Eine Wegbereiterin der Emanzipation, ein Gegenentwurf zu Babypuppen – das sollte Barbie nach Ruth Handler sein, die sie vor 61 Jahren auf den Markt brachte. Im Online-Premierenstück „Komplex! Außer M. weiß niemand, dass Barbie Feministin ist“ der Kompanie 1/10 trifft Figurentheater auf kratzige Musik und Barbie auf Feminismus. Wir sprachen mit der französischen Puppenspielerin Coline Petit (31), die Barbie eine Stimme gibt.

 

Frau Petit, wie schwer war es für Sie, sich der Figur Barbie anzunähern?

Ehrlich gesagt, sehr schwer, weil sie nicht gerade meine beste Freundin war. In meiner Kindheitserinnerung hatte ich fast so eine Art Hass auf sei, weil sie für mich nur diese Schönheitsideale transportiert hat.

Und wie haben sie diese Abneigung dann überwunden?

Ich bin ja nicht nur Puppenspielerin, sondern habe auch Textildesign studiert. Im Stück treten dann von mir aus verschiedenen Materialien gebastelte Barbies auf, die nicht auf Rosa und Glitzer reduziert werden. Es ist eine Provokation auf Barbie – meine Puppen sind nicht glatt, sie haben stattdessen Haare an den Beinen und unter den Achseln. Sie sind also alles andere als perfekt. Auf diese Weise ist es mir dann schon gelungen, mich ihr anzunähern. Und meine Bühnenpartnerin Li Kemme hat sich in der Musik an dem Thema abgearbeitet.

Als Feministin erfährt Barbie ja wenig Wertschätzung. Aber warum hat der Traum Barbie auch heute noch solche Anziehungskraft?

Sie bedeutet für jeden etwas anderes, steht für Diversität und Selbstbestimmtheit. Es sind vielfältige Dinge mit ihr gemacht worden. Die Frage ist nur, ist das, was sie sagt, auch das was sie macht. Wer ein bisschen was über die Fallstricke des Feminismus lernen will, sollte sich mit Barbie beschäftigen. Es gibt viel zu erzählen, und sie ist mehr denn je ein gesellschaftsaktuelles Thema.

Wie frech darf Barbie denn sein?

Ich will nicht zu viel verraten, aber es gibt auch eine Marionetten-Barbie, die äußerlich eher dem Klischee blond und dumm entspricht. Aber sie ist frech, stellt unangenehme Fragen, sagt Dinge, die man so nicht von ihr erwartet. Der äußere Schein ist nicht alles.

Und welche Rolle spielt Ken?

Ihm widmen wir auch ein Lied im Stück. Für Barbie ist er mehr ein Accessoire als ein Partner. Und selbst wenn sie sich auf ihn einlässt, hat sie eindeutig die Hosen an. Hier ist dem Hersteller Mattel schon gelungen, Barbie einen emanzipatorischen Anstrich zu geben, denn sie entscheidet selbst, was sie macht.

Wie ist es, für ein virtuelles Publikum zu spielen?

Wir sind schon froh, dass wir jetzt auch in Stuttgart unsere Online-Premiere zeigen können. Vor einer Woche waren wir in Berlin. Eigentlich wäre unsere Premiere am 19. März gewesen, aber dann kam der Lockdown. Der nächste Termin im November ist dann wieder geplatzt. Die Kamera fängt das Stück natürlich anders ein, als wenn man direkt vor Publikum spielt. Das meiste ist live, einige Szenen haben wir vorproduziert, weil es sonst mit der Technik zu kompliziert wird.

Vermissen Sie die Interaktion mit den Besuchern?

Ja schon, weil es auch eine Inszenierung ist, bei der man nicht passiv zuschaut. Aber wir sehen über Zoom, wer da ist, tauschen uns im Chat aus. In Berlin waren über 80 Leute da und sind nach der Aufführung online zum Gespräch geblieben.

Wie lautet die Botschaft des Stücks und was ist die Zielgruppe?

Es geht um Diversität, um Körpernormen, Gendernormen, und wie man von der Gesellschaft wahrgenommen wird, um die Vermarktung von Barbie und die Konfrontation mit Feminismus. Wir haben unseren eigenen Blick darauf. Wer mehr wissen will, kann sich an diesem Donnerstag (20 Uhr) zuschalten. Das Stück spricht natürlich Jugendliche an, denn sie beschäftigen sich ja stark mit dem Thema, wie präsentiere ich mich in der Welt. Aber es ist auch für Erwachsene interessant. Die haben aufgrund ihrer Erfahrungen einen anderen Blickwinkel auf Barbie.

Und wer ist eigentlich M.?

Das werde ich nicht verraten.