Als ehemalige Baumpfleger und -kontrolleure mussten Janus Baldermann und Sebastian Zinßer etliche Stämme und Äste in Stuttgart absägen. Viele Stümpfe haben sie auf eine besondere Art verschönert. Doch nun haben auch Diebe die Herzen entdeckt.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Filder - Das erste Herz erhielt Agnes, seine damalige Freundin. „Das muss im Jahr 2016 gewesen sein“, rechnet Janus Baldermann (25) zurück. Heute, rund vier Jahre später, ist das Paar verheiratet und hat eine kleine Tochter. Janus Baldermann hat seitdem noch viele weitere Herzen aus Baumstümpfen gesägt – doch diese schenkte er niemandem mehr persönlich, sondern gewissermaßen der Stuttgarter Allgemeinheit.

 

Bis zum Jahr 2017 waren Janus Baldermann und Sebastian Zinßer (34) als Baumpfleger und Baumkontrolleure bei der Stadt Stuttgart angestellt. Zu ihrer Tätigkeit gehörte auch das Absägen etlicher Stämme und Äste im Stadtgebiet: im Wald bei Degerloch, im Eichenhain in Sillenbuch, an einem Spielplatz in Vaihingen, aber auch auf Friedhöfen oder entlang stark befahrener Straßen in der Innenstadt. Viele der Bäume, die die beiden mit der Motorsäge bearbeiten mussten, haben sie anschließend auf eine besondere Weise verschönert – und Herzen daraus gesägt.

Seit S 21 sind die Menschen bei Fällungen sensibel

„Das war irgendwie so ein Gag“, erinnert sich Sebastian Zinßer. „Wenn wir einen Baum entfernen mussten und nur noch ein kleiner Teil des Stamms übrig geblieben ist, haben wir ein kleines Herz hinterlassen.“ Insgesamt hätten sie wohl zwischen zehn und 15 Herzen in Stuttgarter Gehölz gesägt, schätzen die beiden. Aufwendig sei dies nicht gewesen, denn mit den Baumpflegesägen könne man sehr präzise arbeiten: „Wir haben etwa zehn Minuten pro Herz gebraucht“, sagt Janus Baldermann. „Die Zeit haben wir uns hin und wieder genommen, unser Chef wusste das.“

Gewissermaßen könnte man die Herzen auch als eine Art Entschädigung betrachten. Denn viele Menschen reagieren emotional, wenn Bäume gefällt oder stark gekürzt werden. So würden manche morgens, nur mit einem Nachthemd bekleidet, auf die Straße rennen und protestieren, sobald Baumpfleger anrückten, berichtet Janus Baldermann: „Manche sagen: ‚Schneiden Sie aber ja nicht zu viel ab!‘ Andere wiederum wollen, dass am besten der gesamte Baum abgesägt wird.“ Seit den Fällungen im Schlossgarten für Stuttgart 21 seien die Leute noch sensibler geworden, meint Zinßer. Die beiden Baumpfleger haben für diese Emotionen Verständnis, „auch für uns war es immer schade, wenn man einen Baum deutlich zurückschneiden musste“. Deshalb seien die Baumherzen auch so etwas wie ein Trost gewesen: „Viele Leute haben sich gefreut, wenn sie sie entdeckt haben.“

Seit 2017 wurde kein Herz mehr gesägt

Es gebe aber freilich immer gute Gründe, wenn Baumpfleger das Grün mit der Motorsäge bearbeiteten, betont Zinßer: „Das ist zum Schutz der Bürger.“ Im Eichenhain in Sillenbuch beispielsweise seien regelmäßig Kindergruppen unterwegs, da dürfe nicht einfach so ein Ast herunterkrachen. „Andere Bäume müssen zurückgeschnitten werden, weil sie zu groß werden, krank sind oder in Fenster und Rollläden von Häusern hineinwuchern.“ Und im Wald müsse man immer darauf achten, dass nicht ein Baum die anderen verdränge.

Denjenigen, die viel draußen unterwegs sind, ist es aber möglicherweise aufgefallen: Zuletzt kamen keine neuen Baumherzen mehr hinzu. Denn seit rund drei Jahren arbeiten Sebastian Zinßer und Janus Baldermann in neuen Jobs: Ersterer hat die Leitung des Bauhofs in Wäschenbeuren (Kreis Göppingen) übernommen, Zweiterer studiert Stadtplanung in Nürtingen und arbeitet zwar immer noch bei der Stadt Stuttgart – allerdings nicht mehr als Baumpfleger, sondern im Stadtplanungsamt. Und der dritte Kollege, der ebenfalls Herzen gesägt hatte, ist seit längerer Zeit erkrankt; er hat Krebs.

Ein Geschenk zum Valentinstag?

Ebenfalls traurig: Seit unsere Zeitung über die Baumherzen berichtet hat, wurden mehrere gestohlen – etwa jenes an der Kernenblickstraße in Sillenbuch. Womöglich hat der eine oder andere geglaubt, so ein Herz sei ein gutes Geschenk zum Valentinstag. Zum Trost: Es gibt definitiv noch ein paar Exemplare auf den Fildern. Wo diese aber genau sind, das behält unsere Zeitung nun lieber für sich.