Kurzer Polyester-Rock, geschnürte Taille, farbenfrohe Musterungen und ein großzügiges Dekolleté: Das moderne „sexy“ Dirndl hat wenig mit baden-württembergischem Brauchtum zu tun – die Ursprünge findet man im Nationalsozialismus.

Stuttgart - Lange ist es her, als Herzog Eberhard Ludwig 1712 eine Kleiderordnung für Baden-Württemberg erließ, die sein Volk in neun Klassen einteilte. Die Bauern, damals noch die neunte und unterste dieser Kasten, mussten sich von der Barockzeit bis zur Revolution von 1848 an die fürstlich verordnete Kleiderordnung halten. Und das ist auch der Ursprung der historischen württembergischen Tracht, die mit der Wasenkleidung von 2019 so wenig am Hut hat, wie Karl Lagerfeld mit Jogginghosen. Der gemeinhin klassische Wasen- und Oktoberfest-Schnitt eines Dirndls ist dagegen relativ jung: Mit schmaler Taille, einfachem Rock, kniekurzer Schürze und dem großzügigen Ausschnitt sind die modernen Dirndl quasi der Gegenentwurf zu regionalen Trachten aus dem alpenländischen Gebiet, die mit schweren und unzähligen Unterröcken, dicken Wollstrümpfen und hochgeschlossenen Blusen mit langen Ärmeln mehr als nur eine Verkleidung für den Kirchtag waren.