Das Stuttgarter Frühlingsfest hat unter dem schlechten Wetter der vergangenen Wochen gelitten. Es kamen weniger Besucher als im Vorjahr. Nun hofft man auf dem Wasen auf einen Ansturm am letzten Wochenende.

Stuttgart - Halbe Sachen mögen sie nicht beim Stuttgarter Frühlingsfest. Das Glas hat voll zu sein, das freut den Zecher. Oder es hat leer zu sein, das freut den Wirt. Aber was macht man nun mit einem halb gefüllten Glas? Ärgert man sich über den abgestandenen Rest oder freut man sich auf die letzten Schlucke? Andreas Kroll hat sich mannhaft dafür entschieden, ein Optimist zu sein und das Glas als halbvoll zu betrachten. Der Chef der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart resümierte vor dem letzten Wochenende der 78. Auflage des Frühlingsfestes: „Wir haben zehn bis 15 Prozent weniger Besucher als im Vorjahr.“ Da kamen insgesamt 1,5 Millionen Menschen.

 

Erste offiziellen Besucher kommen vor 12 Uhr

Angesichts des kalten und trüben Wetters der ersten beiden Frühlingsfest-Wochen sei er sogar überrascht, „dass es nicht weniger sind“. Eine knappe Million Besucher habe man bisher verzeichnet, und weil Hoch Peter ein Einsehen hat, hofft er, dass das schöne Wetter bis zum Ende des Wasenrummels am Sonntag noch weitere 200 000 Menschen anzieht.

Am Freitag zumindest kamen die ersten schon vor dem offiziellen Beginn um 12 Uhr. Eine Gruppe Schweizer stand in Partyuniform, Dirndl und kleinkariert vor dem Göckelesmaier-Zelt. Früh morgens waren sie im Berner Oberland in den Bus gestiegen und auf den Wasen gefahren. Keine Seltenheit. Der große Bruder Volksfest verleiht auch dem Frühlingsfest Glanz. Bis Donnerstag hat in.Stuttgart 1000 Reisebusse gezählt, aus der Region, aber auch aus dem Schwarzwald, aus Oberschwaben, Italien, Österreich und der Schweiz. So viele kamen im Vorjahr insgesamt. Heuer werde man wohl 200 Busse mehr verzeichnen, sagte Marcus Christen von in.Stuttgart.

Sanitäter und Notärzte hatten weniger Arbeit als im Vorjahr

Ist das Portemonnaie nun halbvoll oder halbleer? Wenn es so kalt ist, dass die Wildwasserbahn das Wasser ablassen muss, weil es zu gefrieren droht; wenn es so kalt ist, dass die Wirte in ihren Zelten zusätzliche Heizungen aufstellen müssen, damit die Gäste nicht frieren, dann stellt sich diese Frage vor allem den 247 Schaustellern auf dem Platz. Mark Roschmann vom Schaustellerverband Südwest hat beschlossen, die Antwort erst am Sonntagabend zu liefern. „Ich habe zwischendurch keine Kasse gemacht“, sagt er, „das bringt nichts, da macht man sich nur verrückt.“ Nun scheine die Sonne, an Himmelfahrt war das Geschäft prima, am Wochenende werde der Wasen voll sein. „Schadensbegrenzung“ erhofft sich davon Kollegin und Schaustellervertreterin Linda Brandl. Je nach Branche habe man Einbußen bis zu 40 Prozent gehabt und hoffe mit einem blauen Auge davonzukommen.

Nicht alle ärgern sich über sinkende Zahlen, mitunter bieten sie auch Grund zur Freude. Die Sanitäter und Notärzte hatten weniger Arbeit als im vergangenen Jahr, sie hatten zehn Prozent weniger Einsätze. 707 Menschen mussten sie helfen, die meisten hatten mehr getrunken als ihnen guttat. Das galt insbesondere für den Dienstag, 19. April. Da feierten tausende Realschüler ihre Mittlere Reife auf dem Wasen. 55 von ihnen waren so betrunken, dass sie Hilfe brauchten. Die Jungen machen es den Alten nach. Die meisten Einsätze hatten die Helfer am vergangenen Samstag mit knapp 100. Und man rüstet sich für ein arbeitsames Wochenende. Am Samstag sind 60 Sanitäter und Notärzte auf dem Wasen im Einsatz, und ähnlich viele im Stadion beim VfB-Spiel gegen Mainz. Dort ist man auch für Nervenzusammenbrüche gewappnet.

Zahl der Körperverletzungen ist laut Polizei gesunken

Die Polizei hat bisher 510 Einsätze gehabt, im Vorjahr waren es zum selben Zeitpunkt noch 653. Taschendiebstähle seien bisher neun angezeigt worden, 20 waren es im Jahr zuvor. Auch die Zahl der Körperverletzungen sei gesunken, ebenso die Zahl der Raubüberfälle. Wohlgemerkt auf dem Wasen. Es gab mehrere brutale Taten in der Umgebung, Überfälle und die Vergewaltigung einer 21-Jährigen. „Anschlusskriminalität“ nennt das die Polizei. Sie sei nicht signifikant höher gewesen als sonst, sagte Robert Vucenovic vom Revier Bad Cannstatt, aber man habe Vorsorge getroffen und sei auch im Umfeld unterwegs.

Das Umfeld ist für die Jungs aus Frankreich kein Problem. Ein Bus hatte sie auf dem Wasen abgeladen. In Mannschaftsstärke marschieren sie ein. Mit Hüten in Form von Maßkrügen auf dem Kopf und roten T-Shirts über den Leib gespannt, auf denen steht: „Elsässer Sauf Kumpels“. Für sie sind die Gläser voll – zumindest kurze Zeit.