Ein erster Lichtblick im Kulturbetrieb: Die Stuttgarter Galerien haben wieder geöffnet. Normalität herrscht aber noch lange nicht.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Es fühlt sich an wie die ersten Sonnenstrahlen nach einem langen, kalten Winter. Der Stuttgarter Kulturbetrieb macht einen ersten kleinen Schritt in Richtung Normalität. Im Zuge der Wiedereröffnung des Einzelhandels dürfen auch Galerien wieder öffnen. Das haben gleich mehrere Stuttgarter Kunsthändler genutzt und am Dienstag ihre Türen aufgeschlossen, deren Griffe, wie man betont, selbstverständlich mehrmals am Tag gereinigt würden. Fast alle sind wieder am Start, ob das Galerienhaus, Schlichtenmaier oder Braunbehrens. Die Galerie Abtart wird in der nächsten Woche nachziehen wie auch der Uno Art Space in der Liststraße – „ich muss mich noch mit den Vorschriften auseinandersetzen“, sagt die Galeristin Ute Noll.

 

„Es ist eine neue Sorte von Herausforderung“, erzählt Kay Kromeier von der Galerie Schlichtenmaier, der die offizielle Verordnung des Landes abgewartet und danach beschlossen hat: „Gut, probieren wir es, sehr schön.“ Für Kromeier besteht die größte Herausforderung nun darin, die Arbeit in der Galerie und die Betreuung der Kinder „unter einen Hut zu bekommen“, wie er erzählt. Die Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten sei dagegen vergleichsweise einfach. Mit 180 Quadratmetern hat man in der Galerie Schlichtenmaier auf dem Kleinen Schlossplatz Platz genug, um Abstand voneinander zu halten. Außerdem gibt es Waschbecken zum Händewaschen und reichlich Desinfektionsmittel. „Eine Galerie ist ja ohnehin kein Supermarkt“, sagt Kromeier. Und falls sich je eine Schlange vor der Ausstellung bilden sollte, „dann wissen wir auch, wie darauf reagieren“.

Verlässlich planen lässt sich derzeit noch nicht

Wo man auch nachfragt – die Galeristinnen und Galeristen in der Stadt atmen auf, auch wenn mit dieser ersten Lockerung noch längst keine Normalität einkehrt in den Kunsthandel. Auch die Galerie von Braunbehrens im Stuttgarter Westen hat seit Dienstag wieder geöffnet – aber „fährt auf Sicht“, wie es Berthold Naumann nennt. „Keine Hände schüttelt, das ist man ja schon gewöhnt“, sagt er, das Programm der Galerie wurde durch Corona aber kräftig durcheinandergewirbelt.

So konnte die aktuelle Einzelschau von Willi Siber zwar noch vor der Schließung eröffnet werden. Wie lange sie laufen wird, ist aber noch unklar, denn die beiden Folgeausstellungen, die man für die Zeit bis zum Sommer geplant hatte, wurden abgesagt. Solange Menschenansammlungen verboten sind, wird man auch kein neues Datum festgelegt, denn „eine Ausstellung ohne Eröffnung würde keinen Sinn machen“, sagt Berthold Naumann. Außerdem sei nicht absehbar, ob man Arbeiten aus dem Ausland verlässlich bekomme. „Es ist gerade alles kompliziert“, so Naumann, „deshalb entscheiden wir kurzfristig.“

Thomas Fuchs hält dagegen an seinem Turnus fest – und wird die angesetzten Ausstellungen auch ohne Vernissage durchführen. „Wir haben das ganze Jahr durchgeplant und sind schon in der Planung für 2021“, sagt Fuchs, „da ist es schwierig, etwas zu schieben.“ Dass er die Ausstellung von Günter Zachariasen während der Schließzeit bereits gehängt hat, um sie fürs Internet zu fotografieren, erweist sich jetzt als ein Vorteil. So konnte Thomas Fuchs am Montag ganz in Ruhe aufsperren, weil die magisch leuchtende Malerei bereits an den Wänden hing.

Auch sonst ist Thomas Fuchs gut gerüstet, denn er hat die Schließzeit – wie so viele – genutzt, um den Laden auf Vordermann zu bringen und die Homepage zu aktualisieren und mit neu produzierten Videos zu optimieren. Für die kommende Ausstellung, die am 8. Mai eröffnet werden soll, hat Fuchs aber doch kurzfristig ein neues Konzept entwickelt: Unter dem Titel „Fernweh“ sollen nun Arbeiten gezeigt werden, die „uns an Plätze und Orte entführen, die man jetzt nicht mehr erreichen kann“, wie der Galerist erklärt.

Trotz aller Planungen bleiben aber auch für Thomas Fuchs in der derzeitigen Situation Unwägbarkeiten. Da unklar ist, ob die Kunstmessen, die abgesagt werden mussten, im Herbst nachgeholt werden oder doch erst im nächsten Jahr wieder stattfinden, ist er unentschlossen, für welche Messen er sich bewerben soll. „Man weiß nicht, wie es mit den Kosten ist, wenn sie dann doch nicht stattfinden.“

Die finanziellen Einbußen lassen sich noch nicht genau beziffern – aber es gibt sie

Dass die Kunsthändler durch Corona Einbußen haben, ist sicher, genau beziffern können sie diese – noch – nicht. Thomas Fuchs konnte wie auch die Galerie Schlichtenmaier zumindest einige Arbeiten übers Internet verkaufen, „aber es gibt eine Delle“, sagt Kay Kromeier von Schlichtenmaier, „wie stark, das müssen wir sehen“.

Denn klar ist: Wenn die Vernissage ausfällt, hat eine Ausstellung sehr viel weniger Besucherinnen und Besucher – und es wird auch deutlich weniger gekauft. Umso mehr hat sich Thomas Fuchs über den Zuspruch seiner Kundschaft gefreut. In den vergangenen Wochen hätten sich viele Kunden und Kunstfreunde per Mail oder telefonisch nach seinem und dem Wohlergehen der Galerie erkundigt. Eine Dame habe ihm sogar angeboten, einen Gutschein zu kaufen, den sie dann bei einem späteren Kunstkauf einlösen könne. Angenommen hat er das Angebot zwar nicht, erzählt Thomas Fuchs, „aber es war eine schöne Geste“.