Brüssel sorgt mal wieder für Aufregung: Gastronomen sollen künftig laut EU-Richtlinie ihren Gästen kostenfrei Leitungswasser ausschenken. Der Gedanke aus Brüssel sorgt bei deutschen Gastronomen für Unverständnis, die Umsetzung erscheint aber auch völlig unrealistisch.

Stuttgart - Der Mann von Welt bestellt heute keinen Sprudel mehr, sondern stilles Wasser. Genau dies hat ein Gast in einem gehobenen vietnamesischen Restaurant in der Innenstadt gemacht – daraufhin wurde ihm eine Karaffe auf den Tisch gestellt. Er fragte nach einem Mineralwasser aus der Flasche, was er bei einem Preis von 5,60 Euro für angemessen hielt. Als die Bedienung ihm aber erklärte, dass sie so etwas nicht führten, das Wasser nur in Karaffen ausschenkten, ihm dann auch offen gestand, dass dieses aus dem Wasserhahn komme, drohte der gute Mann heftige Schnappatmung zu kriegen, wie sein Begleiter versichert.

 

5,60 Euro! In dem Jahr, in dem die europäische Union (EU) in Brüssel eine Richtlinie erlassen möchte, wonach jeder Gastronom kostenloses Leitungswasser an seine Gäste ausgeben soll? Ein erfahrener Kollege sagt dazu nur: „Ein bisschen unverschämt ist das schon.“

Beim Hotel- und Gaststättenverband in Stuttgart fällt das Urteil selbstverständlich milder aus, dem Verband steht es natürlich auch nicht zu, seine Mitglieder zu kritisieren. Sprecher Daniel Ohl sagt nur: „Die Kosten decken müssen alle Gastronomen auf der Welt.“ Und wie sie dies kalkulatorisch machen, sei doch jedem selbst überlassen.

„Wir werden ja nicht von der Caritas bezahlt“

Kollegen aus Stuttgart sehen die Preisgestaltung in dem vietnamesischen Restaurant als dessen Sache. Wenn er seine qualitativ guten Gerichte über die Getränke quersubventioniere, dann dürfe er das. „Jeder kann kalkulieren wie er will“, sagt Elke Wagner vom Ochsen in Uhlbach, „aber entweder man verlangt Geld fürs Wasser, oder man verlangt eben Eintritt.“ In dem schwäbischen Traditionslokal gibt’s nur Mineralwasser, das in Flaschen auf den Tisch kommt, „das ist schon ein gravierender Unterschied“, sagt Schwester Uta Wagner. Aber klar sei eben: „Irgendwie muss ich den Laden finanzieren und meine Leute bezahlen.“

Wer im Ochsen explizit nach einem Glas Hahnenwasser verlange, bekomme dies umsonst. Aber dies dürfe auch nicht überhand nehmen. „Wenn aus dem Wasser eine abendfüllende Veranstaltung wird, ist das schwierig“, sagt Uta Wagner, „wir werden ja nicht von der Caritas bezahlt.“ Zu den Löhnen für Mitarbeiter kommen noch andere Faktoren: Auch ein Wasserglas muss gespült werden, und jeden Tag geht auch eines kaputt, das ersetzt werden müsse. Für Uta Wagner ist das Thema sogar geeignet, den Bogen noch ein bisschen weiter zu spannen. Ihrer Meinung nach sind die Lebensmittel in Deutschland ganz allgemein zu billig. Daraus entwickle sich die öfter kritisierte Wegwerfmentalität. „Wir hätten die ganze Lebensmittelverschwendung nicht , wenn alles teurer wäre.“

Dienstleistung kann der Wirt nicht einfach verschenken

Für Volker Krehl, Ehrenpräsident der Meistervereinigung Gastronom und Chef von Krehls Linde in Bad Cannstatt, ist der Ansatz mit dem kostenlosen Wasser ebenfalls der falsche. Das komme aus dem Ausland, wo allerdings ganz andere Voraussetzungen vorherrschen. In den USA komme das Wasser automatisch auf den Tisch, dort sei es allerdings auch üblich, 20 Prozent der Rechnung als Trinkgeld zu geben. Oder in Italien: Dort bezahle man eben fürs Gedeck. „Egal wie es der Gastronom macht, er muss eben auf seinen Grundumsatz kommen“, sagt Krehl. Mit einer Verordnung zu kostenlosem Wasser würde dem Wirt ja vorgeschrieben, eine Dienstleistung zu verschenken. Bei Volker Krehl steigen im Hotel auch mal Gruppen aus anderen Ländern ab, denen stelle er dann auch für 1,50 Euro eine Karaffe Wasser auf den Tisch. Wichtig für ihn sei aber in jedem Fall, dass man seine Preispolitik den Gästen erklärt. Beim Wein zum Beispiel verlange er bei jedem den gleichen Aufschlag von 20 Euro. Ein günstiger erscheine einem dadurch verhältnismäßig teuer, bei gehobenen Weinen kommt der Gast günstig weg. „Wenn man das erklärt, sind eigentlich alle zufrieden.“

Das sieht auch Thomas Adam vom veganen Restaurant Körle und Adam in Feuerbach ähnlich. Dort gab’s ein besonderes Angebot, das Sommer-Duo: Für eine Flasche Wein bekam der Gast eine Flasche Wasser gratis. Aber wenn zwei Leute dasitzen würden, einen Salat essen und Gratiswasser dazu trinken, „dann kannsch den Laden zu machen“. Denn der Tisch sei besetzt in der Zeit, und Geld verdienen müsse jeder, reich werde man als Gastronom sowieso nicht.

Das Gespenst aus Brüssel sorgt beim Verband übrigens nicht mehr für Kopfzerbrechen. Die Richtlinie erlaube es, bei den Maßnahmen die lokalen und kulturellen Gegebenheiten zu berücksichtigen und sei nur eine Empfehlung „ohne jede Verpflichtung“. Schon im ersten Entwurf stand nur, dass die Mitgliedsstaaten ihre Unternehmen ermutigen sollten, ihren Kunden Leitungswasser kostenlos oder gegen eine geringe Servicegebühr zu servieren.