Die Fußball-Oberligisten befinden sich im Stillstand, der Corona-Lockdown hält also auch die Stuttgarter Kickers weiter fest im Klammergriff. Wie gehen die Verantwortlichen damit um?

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Die Lieblingsbeschäftigung von Mijo Tunjic ist Toreschießen. 16 Saisontreffer hat der Torjäger des Fußball-Oberligisten Stuttgarter Kickers in 13 Saisonspielen erzielt. Dann hatte er, wie so viele andere auch, coronabedingt Zwangspause. „Seit November habe ich keinen Ball mehr berührt, außer vielleicht mal mit meinen Kindern in der Wohnung. Das ist schon sehr frustrierend“, sagt der 32-Jährige. Seine Stimmung wäre noch mehr im Keller, wenn er sich nicht 2019 entschieden hätte, eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten zu beginnen. Dadurch hat er abseits vom Fußball jeden Tag eine Beschäftigung im Betrieb, einmal in der Woche steht Homeschooling auf dem Programm. Tunjic hat nicht nur ein zweites Standbein, er hat vielen seiner Mitspieler bei den Blauen noch etwas voraus, das sein Leiden im Lockdown etwas lindert: Einen über die Saison hinaus gültigen Vertrag bis 2022.

 

Lesen Sie hier: Interview mit Trainer Ramon Gehrmann

Über zehn Kontrakte von Spielern im aktuellen Kickers-Kader laufen aus. Darunter die der Stammkräfte Lukas Kling, Nico Blank, David Kammerbauer, Malte Moos und Markus Obernosterer sowie die der beiden Torhüter Tobias Trautner und Thomas Bromma. „Ich hatte schon leichtere Aufgabenstellungen“, sagt der Sportliche Leiter Lutz Siebrecht ganz allgemein mit Blick auf die schwierigen Rahmenbedingungen. Nicht dass er die Qualität der Spieler nicht zu schätzen wisse, es sind einfach derzeit noch zu viele Fragezeichen rund um den Spielbetrieb. „Ich verstehe, dass die Spieler Klarheit wollen, doch wir wissen doch noch nicht einmal, wann wir wieder spielen können“, bittet Siebrecht um Verständnis. Zuletzt hatte der 53-Jährige mit Denis Zagaria, davor mit dessen Abwehrkollegen Niklas Kolbe jeweils bis 2023 verlängert.

Lesen Sie auch: Alexander Lehmann – ein Netzwerker im Dienst der Blauen

Derzeit halten sich die Spieler dreigleisig fit: Das virtuelle Krafttraining leitet der Sportwissenschaftler Corey Chapman vom Kickers-Partner Athletic Solutions Center, das Beweglichkeitstraining übernimmt Cheftrainer Ramon Gehrmann persönlich, und das Lauftraining wird via Fitness App überwacht. „Als erfahrener Spieler benötigt man die professionelle Unterstützung vielleicht nicht ganz so dringend wie die jüngeren, aber das Ganze hat natürlich Hand und Fuß“, sagt Tunjic.

Mitteilung von WFV-Chef Schöck

Wann der Ball wieder rollt, ist nach wie vor offen. Matthias Schöck, der Präsident des Württembergischen Fußballverbandes (WFV), äußerte sich Ende vergangener Woche wie folgt: „Am 14. Februar ist die nächste Bund-Länder-Konferenz geplant. Damit verbunden ist die Hoffnung auf eine Lockerung der Maßnahmen, so dass die Wiederaufnahme von Training und Spielen näher rückt. Maßgeblich für die Entscheidungen der Politik wird weiterhin sein, wie sich die Anzahl der Corona-Neuinfektionen und andere wichtige Kennzahlen in den kommenden Wochen entwickeln.“

Drei Szenarien

Für die Oberliga stehen nach wie vor drei Szenarien zur Debatte. Vermieden werden soll ein Saisonabbruch, der eine Annullierung der Runde zur Folge hätte. „Eine Diskussion über einen vorzeitigen Saisonabbruch, wie sie andere Landesverbände teilweise führen, halten wir derzeit für verfrüht“, teilte WFV-Chef Schöck mit. „Uns ist bewusst, dass die Unsicherheit für alle Beteiligten unbefriedigend ist. Wir stehen jedoch in der Verantwortung gegenüber unseren Vereinen, eine sportliche Wertung der Meisterschaftsrunden zu ermöglichen, solange dies zumutbar erscheint. Zum jetzigen Zeitpunkt einen Abbruch in den Raum zu stellen, widerspricht dieser Verantwortung. Wir sind mit unserem Prinzip, auf Sicht zu fahren und flexibel zu bleiben, bisher gut gefahren. Gänzlich ausschließen lässt sich ein Saisonabbruch aber natürlich nicht.“

Re-Start an Ostern?

Angestrebt wird, zumindest die Hinrunde zu Ende zu spielen. Dazu müsste für die Oberliga laut WFV-Fahrplan am 3. April (Karsamstag) der Re-Start erfolgen. Für eine Hinrunde plus anschließender Auf- und Abstiegsrunde müsste schon am 6. März wieder um Punkte gespielt werden. Eine mindestens zwei- bis dreiwöchige Vorbereitungszeit mit einberechnet, würde bedeuten, dass schon um den 20. Februar wieder trainiert werden müsste. Ein derzeit wenig realistisches Szenario. „Das Minimalziel ist, dass wir die Hinrunde zu Ende gespielt bekommen“, sagt auch Mijo Tunjic, der etwas wehmütig eine Etage höher blickt: „In der Regionalliga gibt es weitaus weniger professionell arbeitende Vereine wie die Kickers, und die dürfen spielen.“ Dem Top-Torjäger bleibt als Ausgleich nur der Wohnzimmer-Kick mit seinen Jungs.