Die Stuttgarter Kickers haben in der dritten Liga das vierte Spiel nacheinander verloren – 0:2 gegen Offenbach. Dabei enttäuschte die Mannschaft von Gerd Dais auf der ganzen Linie.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Hören wir mal in die Statements der Pressekonferenz: „Wir haben ein ganz wichtiges Spiel gewonnen. Die Mannschaft hat gezeigt, was Existenzkampf ist“, das sagte am Samstag Rico Schmitt, der vor Weihnachten auch als Trainer bei den Stuttgarter Kickers im Gespräch war, nun aber beim Namensvetter in Offenbach gelandet ist – während sein Kollege Gerd Dais nur konstatieren konnte: „So wie die 90 Minuten gelaufen sind, hat bei uns noch nicht jeder begriffen, um was es geht.“ Den Klassenverbleib in der dritten Liga. Und der ist nach der schmerzlichen 0:2-Niederlage – der vierten nacheinander – wieder ernsthaft in Gefahr. Warum?

 

Trainer Gerd Dais hat zum Jahresbeginn den Dienst übernommen und von Beginn an die Devise Defensive ausgegeben: Die Null muss stehen. Das hat drei Spiele (mit dem Derbysieg als Höhepunkt) ganz gut geklappt, seither steht die Null nur noch bei den Punkten. Die Mannschaft wirkt zudem speziell nach einem Rückstand verunsichert, ideenlos. „Es ist gegen so eine kompakte Hintermannschaft schwer, wenn man nur mit langen Bällen operiert“, sagt der Stoßstürmer Marco Grüttner. Dais selbst weicht kaum von seinem Konzept ab, die bei den Kickers in der Hinrunde so gerne propagierte Zwei-Stürmer-Strategie ist seit dem Test beim Oberligisten Neckarelz durchgefallen. Dass der Trainer in der Coachingzone einen gelassenen Eindruck hinterlässt, mag seinem Naturell entspringen, seine Aussagen zeugen eher von Resignation: „Wir müssen über den Kampf zum Spiel finden.“ Dabei sollte ein Trainer wie James Bond sein: Ihm sollte immer mal wieder ein neuer Trick einfallen.

Mannschaft Das Spiel gegen Offenbach war ein Offenbarungseid. In jeder Beziehung: hinten nichts, vorne nichts, gar nichts. Bis auf einen Lattentreffer durch Marcel Ivanusa vor dem 0:1 und einer Aktion von Grüttner hatte man in den 90 Minuten nie das Gefühl, dass ein Tor fällt. Im Gegenzug wirkte die Abwehr erneut keineswegs sattelfest, erst leistete sich Julian Leist einen Patzer, beim zweiten Tor war Grüttner nicht am Mann. Zudem konnte der Kapitän Enzo Marchese dem Spiel selbst bei Standardsituationen keine Impulse geben. „Etliche Führungsspieler sind von ihrer Bestform entfernt“, sagt das Präsidiumsmitglied Guido Buchwald. Neuzugänge Bedenklich stimmt, dass die Winterneuzugänge bislang kaum als Verstärkung bezeichnet werden können. Wobei sich zunächst einmal die Frage stellt, warum man gleich zwei Stürmer holt, wenn sowieso immer nur einer spielt. Daniel Engelbrecht wiederum hat sich bisher nicht aufgedrängt, Nicolai Groß lässt sich aufgrund seiner Einsatzzeiten kaum beurteilen, und die Defensivleihgabe Fabian Baumgärtel scheint in Gedanken schon bei seinem Stammverein in Fürth zu sein. „Insgesamt haben wir uns von den drei schon etwas mehr erwartet“, gibt Dais zu.

Überhaupt: von den zehn Neuzugängen in dieser Saison spielte in der Startelf neben Baumgärtel lediglich noch Tobias Rühle (und das mehr schlecht als recht). Eine gelungene Transferpolitik sieht anders aus, das muss sich auch Buchwald anlasten, der mal gesagt hat: „80 Prozent meiner Verpflichtungen sitzen.“

Abstiegskampf Die Kickers liegen nur noch dank des besseren Torverhältnisses „über dem Strich“. Und die Konkurrenz schläft nicht. Der einstige Tabellenletzte Darmstadt hat – ausgerechnet unter dem ehemaligen Kickers-Coach Dirk Schuster – elf Punkte geholt und die Abstiegsränge verlassen. „In der Liga sind acht, neun Mannschaften auf dem gleichen Niveau“, sagt Buchwald, „da entscheiden oft Nuancen.“ Der Wille zum Beispiel. Die biederen Offenbacher haben es vorgemacht, „bei uns hat der Biss gefehlt“, gab Fabian Gerster zu. Was Buchwald ärgert: „Ich habe kein Verständnis für diese Einstellung.“

Perspektive Auf was stützen sich die Kickers? Gute Frage, keine Antwort. Doch Guido Buchwald weiß zumindest: „Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen. Jeder muss sich selbst hinterfragen, warum er nur 70 Prozent bringt“, fordert er. Denn: „Wenn wir so weiterspielen, steigen wir ab.“ 42 Punkte braucht man nach seiner Hochrechnung, also noch 15 aus zehn Spielen; nach der Winterpause gab es aus sieben Spielen sieben Punkte. Und die dicken Brocken kommen erst. Am Samstag gegen Bielefeld, dann in Karlsruhe. Es gibt leichtere Aufgaben im Abstiegskampf. Aber vielleicht liegt ja darin die Chance: „Wir haben nichts zu verlieren“, sagt Dais.