Erst hat Manuel Fischer beim VfB Stuttgart gekickt. Er galt als größtes Talent seit Mario Gomez. Nach Stationen in Koblenz, Burghausen, Heidenheim, München und Großaspach spielt er jetzt bei den Stuttgarter Kickers – und fühlt sich endlich angekommen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Seine Erlebnisse zeugen von einer außergewöhnlichen Fußballerkarriere: Er kam mit 15 Jahren aus Aalen zum VfB Stuttgart – und gab als 18-Jähriger im Fußballtempel Camp Nou des FC Barcelona in der Champions League sein Profidebüt. Er erzielte für den VfB am letzten Spieltag der Saison 2007/20008 beim 2:2 gegen Bielefeld sein erstes Bundesligator und holte zuvor einen Elfmeter heraus, was dem VfB Platz sechs und über den Umweg UI-Cup die Europa League sicherte. Obendrein hält er einen womöglich einmaligen Rekord: Der Stürmer hat in allen Klassen von der siebten Liga (Landesliga) bis zur Bundesliga mindestens ein Tor erzielt. Und: Manuel Fischer ist erst 25 Jahre alt.

 

„Wenn man diese Geschichten alle hört, könnte man meinen, ich sei schon ein alter Büffel“, sagt der Blondschopf und rührt im Restaurant des ADM-Sportparks in Degerloch mit dem Löffel im Schaum seines Cappuccinos: „Dabei bin ich doch erst 25.“ Lange hat sich Manuel Fischer, ein offener und optimistischer Typ, nicht mehr so wohlgefühlt wie bei den Stuttgarter Kickers, denen er sich vom Drittligakonkurrenten Großaspach kommend im Winter angeschlossen hat. Sein Vertrag bei den Blauen läuft bis Sommer 2016 – doch für Fischer soll es das auf keinen Fall gewesen sein. „Ich bin angekommen“, sagt die einst größte Stürmerhoffnung des VfB seit Mario Gomez: „Ich will bei den Kickers etwas aufbauen, will Wurzeln schlagen. Man merkt, dass bei diesem Verein etwas geht. Außerdem ist Stuttgart eben meine Stadt.“

Der Einstand bei den Kickers läuft holprig

Zu behaupten, Fischers sportlicher Einstand bei den Kickers sei traumhaft verlaufen, ginge allerdings an der Wirklichkeit vorbei: Fünf Ligaspiele hat er für die Stuttgarter absolviert, dreimal stand er dabei in der Startelf, kein Einsatz ging über 90 Minuten. Einmal, es war im Nachholspiel vor drei Wochen gegen den Halleschen FC, „habe ich endlich die Chance gehabt, dem Team etwas zu geben“. Vom Trainer Horst Steffen spät eingewechselt, machte Fischer den Treffer zum 1:1-Endstand – da war er also wieder, der alte Torinstinkt. Danach aber spielte Fischer in Osnabrück (1:4) und in Unterhaching (2:1) keine Minute.

„Natürlich bin ich ehrgeizig, will spielen – aber ich habe kein Problem, auf meine Chance zu warten, denn ich denke langfristig“, sagt Fischer, der Torschützenkönig bei der U-17-EM 2006 war und damals mit dem heutigen Weltmeister und Real-Star Toni Kroos in einer Elf stand. „Ich weiß schon, warum ich mit meiner Geschichte hier hocke“, sagt Fischer im Kickers-Restaurant im klassischem Aalener Schwäbisch – und grinst, wie wohl nur einer grinsen kann, der schon mit 25 Jahren fast das komplette Spektrum an Erfolg und Leid mitgemacht hat, das der Profifußball zu bieten hat.

„Wenn du 18 Jahre alt bist, bekommst einen gut dotierten Profivertrag und spielst Champions League, dann ist das für einen jungen Kerle nicht einfach“, sagt Fischer, wohl wissend, dass dem „Jungen mit dem untrügerischen Torinstinkt“ (StZ vom Juli 2007) der frühe Erfolg beim VfB und das viele Geld ein bisschen zu Kopf gestiegen ist. „Ich war nicht faul, aber über meine Einstellung kann man sicherlich streiten.“

Zurück in der schwäbischen Heimat

Weil viel Verletzungspech dazukam, weil sämtliche Bänder in beiden Knien in regelmäßigen Abständen rissen, musste der Stürmer auf die harte Tour wieder zu sich finden. „Ich habe viel Erfahrung mitgenommen“, sagt Fischer, der in Koblenz spielte, bei Wacker Burghausen, eine Zeit lang sogar beim 1. FC Heidenheim II, weil es besser in den Regenerationsplan passte. Manuel Fischer kickte bei Bayern München II, bei der SpVgg Unterhaching, dann lernte er seine heutige Ehefrau Anna kennen – und wechselte daher wieder in die schwäbische Heimat nach Großaspach.

Im Sommer 2013 begann das einstige VfB-Wunderkind eine Lehre als Immobilienkaufmann, er kickte ein Jahr lang nur als Halbprofi bei der SG Sonnenhof, dem Herzensclub seines Beraters Uli Ferber. Dann ging es mit dem Verein als Drittligaaufsteiger und mit ihm gleichermaßen bergauf. Keine Sekunde hat Manuel Fischer dann gezögert, als ihm der Kickers-Sportdirektor Michael Zeyer im Winter ein Wechselangebot unterbreitete.

„Ich kann es gar nicht oft genug sagen, wie dankbar ich für diese Chance bin“, sagt Manuel Fischer, der nun quasi im zweiten Anlauf als Profi bestehen will. Die Kickers hält Manuel Fischer dabei für die bestmögliche Plattform, weil vom Präsidenten Rainer Lorz über den Sportdirektor Zeyer bis hin zum Trainer Steffen („Ich habe schon einige erlebt und weiß daher, dass er einer von den Guten ist“) sowie den Clubmitarbeitern viele fähige Leute am Werk seien. „Man spürt die positive Stimmung im Verein“, sagt Fischer, für den der Aufstieg in die zweite Liga ein Traum wäre.

„Es klingt zwar abgedroschen, aber wir müssen tatsächlich von Spiel zu Spiel denken“, sagt er vor der Heimpartie gegen Borussia Dortmund II am Ostersamstag (14 Uhr). Denn eines hat Manuel Fischer in seiner turbulent verlaufenen Fußballerkarriere vor allem gelernt – und quasi zu seinem Leitspruch gemacht: „Es kommt, wie es kommt. So muss man es nehmen.“