Die Stuttgarter Kickers haben das abgelaufene Geschäftsjahr mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen, die Herausforderungen kommen aber erst noch. Eine Frau im Aufsichtsrat will mithelfen, diese zu meistern.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Premiere für den Fußball-Oberligisten Stuttgarter Kickers: Erstmals in seiner 121-jährigen Vereinsgeschichte ging die Mitgliederversammlung digital über die Bühne. Präsident Rainer Lorz konnte den 213 zugeschalteten Mitgliedern via Livestream aus dem Gazi-Stadion für das Geschäftsjahr vom 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 einen Überschuss von 226 000 Euro verkünden. Zum Vergleich: Im Vorjahr hatte es ein operatives Plus in Höhe von 164 000 Euro gegeben. Die Blauen schreiben also in schwierigen Corona-Zeiten schwarze Zahlen. Doch Lorz ist seriös und realistisch genug, um daraus keine falschen Schlüsse zu ziehen: „Wir dürfen uns nicht täuschen lassen, die wahren Herausforderungen kommen in der laufenden Saison. Ewig hält das kein Verein durch.“

 

Treue Unterstützer

Dass der aktuelle Tabellenzweite trotz des Abbruchs der vergangenen Saison Anfang März ein positives Ergebnis erwirtschaftete, hat mehrere Gründe. Zwar gingen sowohl die Spielerträge durch Zuschauereinnahmen von 442 000 Euro auf 322 000 Euro als auch die Werbeerträge von 1,616 Millionen Euro auf 1,502 Millionen Euro zurück, doch dies konnte kompensiert werden – durch Erhalt von Kurzarbeitergeld, entfallene Prämienzahlungen, Unterstützung der Stadt, Spenden und verkaufte Retterpakete. „Die Kickers-Familie hält zusammen, wir können uns auf unsere treuen Unterstützer verlassen, darauf sind wir stolz“, lobte Lorz.

Diese Solidarität wird in Zukunft sogar noch stärker vonnöten sein. Denn im Normalfall spielen die Kickers auch in der fünften Liga vor 2500 bis 3000 Zuschauern. In dieser Saison aber durften die Blauen, die 750 Dauerkarten verkauft haben, in ihren bisher sechs Heimspielen nur jeweils knapp 500 Zuschauer ins Stadion lassen. Und ob und wann die Saison fortgesetzt wird, ob und gegebenenfalls wie viele Zuschauer zugelassen werden – all das gleicht dem Blick in die Glaskugel. „Wir stehen vor einem harten Stück Arbeit. Wir brauchen die Hilfe von Stadt und Bund, denn unsere Probleme sind nicht hausgemacht“, stellte Lorz klar.

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Dass es bei den Blauen weitergehen wird, daran ließ Alexander Lehmann keinen Zweifel: „Egal in welcher Liga, die Kickers wird es weiter geben“, sagte der neue Aufsichtsratsvorsitzende, der im Juni Christian Dinkelacker an der Spitze ablöste. Das Kontrollgremium, das genauso wie das Präsidium mit überwältigender Mehrheit entlastet wurde, umfasste bisher die Mindestanzahl von fünf Personen. Zwei neue Gesichter konnten am Montag nachrücken, da Dinkelacker ausgeschieden und Jürgen Kindler ins Präsidium gewechselt war: Das bisher schon kooptierte Mitglied Günter Daiss (1994 bis 2000 Kickers-Vizepräsident) und mit der Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin Daniela Koch erstmals auch eine Frau. „Ich freue mich, Vereinsgeschichte zu schreiben“, sagte die 44-Jährige, die den Blauen seit vielen Jahren als treuer Fan verbunden ist.

Neuwahlen stehen erst 2021 an. Und ob Präsident Lorz – seit dem Jahr 2010 im Amt – dann noch einmal antreten wird, ist offen: „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu sprechen“, sagte der 57-Jährige. Keiner wird ihm da widersprechen.

Führungsmannschaft der Blauen

Präsidium: Rainer Lorz (57, Rechtsanwalt), Ingo Kochsmeier (51, Mitglied der Geschäftsführung mhplus), Holger Schäfer (63, Geschäftsführer CCP), Christian Hutter (35, Unternehmensberater), Jürgen Kindler (48, Geschäftsführer von Kratzer & Rieber Hoch- und Stahlbetonbau).

Aufsichtsrat:
Alexander Lehmann (51, Geschäftsführer Minol ), Philip Pfeiffer (41, Selbstständiger), Olaf Gerber (52, Rechtsanwalt), Lutz Meschke (53, Vorstand Porsche AG), Ralf Hofmann (57, Vorstandsvorsitzender MHP), Günter Daiss (81, Unternehmer), Daniela Koch (44, Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin).

In unserer Bildergalerie zeigen wir die neuen Aufsichtsratsmitglieder. Klicken Sie sich durch!