Die Stuttgarter Frauenklinik zieht am Samstag in den Neubau, die Kinderklinik folgt eine Woche später. 200 Kranke müssen dabei transportiert werden. Das logistische Mammutvorhaben ist minutiös geplant, sogar Staus oder Regen sind eingerechnet.

Stuttgart - Wer schon einmal selbst umgezogen ist, weiß: Die Erleichterung ist groß, wenn der Stress vorbei ist. Martin Kroll gehört zu den vier Menschen, die seit zwei Jahren einen der größten Krankenhausumzüge in Deutschland planen. Der Kinderarzt des städtischen Klinikums muss dafür sorgen, dass ein frisch am Herzen operiertes Neugeborenes genauso wohlbehalten in die neue Klinik gebracht wird, wie die Hochschwangere, die sich schon durch die ersten Wehen quält. Dahinter steht eine gigantische Logistik, die Menschen genauso erfasst wie Medizingeräte und Medikamente. Sichtbar wird das Ausmaß in dem 84 Seiten dicken Handbuch, welches das Umzugsteam erstellt hat. Darin ist nicht nur minutiös festgehalten, welchen Weg die Krankenwagen nehmen, wenn alles nach Plan läuft. Aufgelistet werden auch die möglichen Alternativrouten im Falle eines Staus. „Wir überlassen nichts dem Zufall“, sagt Kroll. Die Frauenklinik zieht am 17. Mai um, das Olgäle folgt am 24. Mai.

 

Wie wird sichergestellt, dass kein Patient verloren geht?

Jedem Patienten wird ein Begleiter zur Seite gestellt. Das sind zum Beispiel Krankenschwestern in Ausbildung, die am Morgen des Umzugstages zu den Patienten kommen und ihnen zunächst beim Packen ihrer Sachen helfen. Sie bleiben dabei, wenn die Kranken auf die Transportliege gehievt werden, und sie fahren im Krankenwagen mit. Erst wenn die Patientin ihr Bett in der neuen Frauenklinik erreicht hat, darf sich der Begleiter verabschieden. Um Irrläufer zu vermeiden, erhält jeder Kranke zudem einen Begleitbogen, in dem neben dem Namen und der Diagnose auch die Station und die neue Zimmernummer vermerkt sind. Auch für die kranken Kinder gibt es Begleiter, da die Eltern beim Transport nicht dabei sein dürfen. Schwerstkranke Kinder werden im Rettungswagen von einem Notarzt und einer Intensivschwester begleitet.

Spielt für die Planung auch das Wetter eine Rolle?

Die Planer haben alle Szenarien durchgespielt. Falls es regnet, werden die gehfähigen Patienten mit Schirmen versorgt. Die fitteren Patienten aus dem Olgahospital werden mit Bussen befördert. Sollten die Gehwege nass sein, wird eine Matte ausgelegt, damit sie auf dem Weg zum Bus nicht ausrutschen. Für die heiklen Transporte von schwerkranken Kindern wurde ein spezielles Blech angefertigt, damit beim Einladen der kleinen Patienten in den Krankenwagen selbst die kleinste Erschütterung vermieden wird. Auch eine Belohnung darf nicht fehlen: Jedes kranke Kind, das umziehen muss, bekommt am Morgen einen Rucksack mit auf die Reise durch die Stadt. Wie lange die Fahrten dauern, haben die Planer vorher gemessen. Sie haben sich mit der Stoppuhr in ein Patientenbett gelegt und verlegen lassen. Von Bett zu Bett von der alten in die neue Frauenklinik dauert es 58 Minuten, vom alten ins neue Olgäle 39 Minuten. Der Transport schwerkranker Kinder von Intensivstation zu Intensivstation dauert witterungsunabhängig bis zu drei Stunden.

Wann gehen in den Altbauten die Lichter aus?

An den Umzugstagen, 17. und 24. Mai, wird der Betrieb im Neubau um 8 Uhr aufgenommen. Von da an werden Notfälle in den Neubauten operiert. Zugleich aber werden OP-Kapazitäten in den Altbauten für Notfälle weiter bereit gehalten. Sollte in der Frauenklinik am Morgen des Umzugstages ein Not-Kaiserschnitt nötig sein, wird dieser dort noch vorgenommen. Im alten Olgäle werden am Umzugstag sogar noch drei OPs offen gehalten. Planbare Operationen finden in den Altbauten bereits eine Woche vor dem Umzug nicht mehr statt, sondern erst wieder im Neubau vom 19. beziehungsweise 26. Mai an. Wenn alle Patienten verlegt sind, wird der Betrieb eingestellt. Dann verweist ein Aushang die Patienten auf den neuen Standort.

Wie bekommt man ein neues Krankenhaus klinisch rein?

Nötig sind drei verschiedene Reinigungsstufen: die Bau-, die Fein- und am Schluss die desinfizierende Reinigung. Bei letzterer müssen auch Decken, Wände, Türen und alle Möbel mit einem Desinfektionsmittel gesäubert werden. Gereinigt werden alle 3000 Räume. Geprüft, ob auch tatsächlich keine Keime mehr vorhanden sind, werden dann allerdings nur die OPs und die Intensivstationen. Hierfür gibt es so genannte Abklatschplatten, die so groß wie ein Teller sind und an die Wand oder auf den Boden gedrückt werden. Auf dem Nährboden der Platte können innerhalb von drei Tagen Keime anwachsen. Ist dies der Fall, wird erneut geputzt. Auch das Wasser wird seit Wochen regelmäßig untersucht.

Was passiert mit Geräten, die nicht mehr gebraucht werden?

8000 Kubikmeter Möbel und Geräte werden umgezogen – verteilt auf 400 Lastwagenladungen. Darunter befindet sich auch ein drei Tonnen schwerer Kernspintomograph, der mit einem Kran hochgehoben werden muss. Was neuesten Standards entspricht, wird mitgenommen, alles andere bleibt zurück. Dort dürfen sich dann zunächst die Mitarbeiter bedienen, wenn sie Interesse an einem Erinnerungsstück haben. Danach öffnen Stadt und Klinikum die Türen für Hilfsorganisationen, die sich Medizingeräte, Betten und anderes Mobiliar abholen können. Die alte Arche aus dem Olgahospital wird in ein Kinderheim umquartiert. Ein paar Stücke, etwa zwei Eiserne Lungen, die über Jahrzehnte im Olgäle aufbewahrt wurden, wandern vielleicht ins Museum.